„Der Mensch hat noch kein immunologisches Gedächtnis für das Coronavirus“

Die Schlagzeilen zum Coronavirus überschlagen sich in diesen Tagen. Obwohl es im Vergleich zu den jährlichen Influenza-Infektionen immer noch wenige Infektionen in Europa gibt, fürchtet die Bevölkerung die neuartige Krankheit. Was ist also so gefährlich am Coronavirus? Warum breitet sich das Virus so rapide aus und wie kann sich Deutschland noch besser dagegen schützen? DAZ.online hat dazu mit Prof. Dr. Andrew Ullmann gesprochen. Ullmann sitzt seit 2017 für die FDP im Bundestag und war zuvor hauptamtlich Professor für Infektiologie am Uniklinikum Würzburg.

DAZ.online: Herr Ullmann, Sie haben bis vor der Bundestagswahl hauptberuflich als Professor für Infektiologie am Uniklinikum Würzburg gearbeitet. Wie schätzen Sie das Coronavirus ein?

Ullmann: Das ist derzeit nicht einfach zu beantworten, weil die Datenlage noch sehr dünn ist. Uns liegen aus China noch nicht alle Daten zum Krankheitsausbruch vor. Was die Frage nach der Gefährdung für den Menschen betrifft, glaube ich, dass das Coronavirus in etwa so einzuschätzen ist wie Influenza. Auch dort sehen wir ja, dass insbesondere chronisch Kranke und immungeschwächte Menschen mit dem Virus zu kämpfen haben. Bei jüngeren, gesunden Menschen verläuft die Erkrankung teils harmlos bis asymptomatisch.

DAZ.online: Die Sterberate liegt allerdings leicht über der des Influenzavirus, oder?

Ullmann: Das liegt aber auch an den Daten. Am Anfang einer solchen Epidemie, oder vielleicht sogar schon Pandemie, sind die Sterberaten immer etwas höher, weil die leichten Erkrankungen teils gar nicht auffallen oder registriert werden – und so fallen dann Todesfälle immer schwerer ins Gewicht. Ich erwarte daher, dass sich die Sterberate – ähnlich wie bei Influenza – etwa bei 1 Prozent einpendelt.

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DAZ.online: Sie waren sich eben nicht sicher, ob es noch eine Epidemie oder schon eine Pandemie ist. Von einer Pandemie spricht man doch, wenn sich die Krankheit über Länder und auch Kontinente hinweg verbreitet hat – was beim Coronavirus der Fall ist …

Ullmann: Ich finde, das ist letztlich eine akademische Diskussion. Die WHO kann und wird gegebenenfalls festlegen und definieren, ob es sich beim Coronavirus um eine Pandemie handelt oder nicht. Ich bin mir sicher, dass sich das Virus noch weiter ausbreiten wird. Um es besser einzuschätzen, müssen wir aber unbedingt bessere Daten gewinnen.

DAZ.online: Was stimmt denn nicht mit den Daten?

Ullmann: Viele Fälle in China sind virologisch überhaupt nicht bestätigt. Weil die Symptome denen bei Influenza so stark ähneln, können auch Verwechslungen auftreten.

DAZ.online: Wie ist denn ihre Prognose für die weitere Verbreitung des Virus?

Ullmann: Es wird schwer sein, die Ausbreitung schnell zu bremsen. Ich rechne damit und hoffe auch, dass die Zahl der Infektionen stark fällt, wenn die klassische „Grippesaison“ vorbei ist, also im April oder Mai.

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