Das ist absolut unbefriedigend: Schon vor der ersten Impfung brodelt es in Deutschland

Die erste Impfdosis in Deutschland wurde noch nicht verabreicht, da gibt es bereits Ärger. Die Impfdosen der ersten Lieferung reichen nicht aus. Betroffene kritisieren derweil die Organisation der Impfstoff-Beschaffung.

Kaum jemand – außer wohl er selbst – würde behaupten, dass Donald Trump die Corona-Krise gut managt. Doch während in Europa noch gewartet wird, dass der Impfmotor anläuft, wurde in den USA bereits am 14.11. der erste Mensch gegen das Coronavirus geimpft. Inzwischen sind mehr als eine Million US-Bürger geimpft worden. Zum Vergleich: In der EU wurde mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer am 21. Dezember der erste Impfstoff zugelassen zugelassen. Die erste Impfung in Deutschland soll nun nach den Weihnachtsfeiertagen, am 27. Dezember erfolgen.

Schon vor der ersten Impfung knirscht es in Deutschland

Und schon vor der ersten Impfung knirscht es in Deutschland: Axel Fischer, Chef der München Klinik, beklagt gegenüber dem "Merkur" etwa die mangelhafte Organisation: "Ich bin schon sehr verwundert darüber, dass bereits am Sonntag (27. Dezember) in den beiden Münchner Unikliniken geimpft werden sollte, die München Klinik dagegen bis heute noch nicht einmal darüber informiert worden ist, wann wir überhaupt den Impfstoff bekommen." Dabei sei die München Klinik der größte Notfallversorger der Stadt.

Auch Rüdiger Lange, Chef des Deutschen Herzzentrums, beklagt gegenüber der Zeitung, die mangelnde Verteilung: "Unser wurde gesagt, dass wir voraussichtlich nicht vor Mitte Januar mit dem Impfstoff rechnen können. Das ist mit Blick auf die vielen Kollegen, die sich als Team rund um die Uhr um schwerkranke Patienten kümmern, absolut unbefriedigend", so Lange.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Frank Ulrich Mongomery, Präsident des Weltärztebundes. Gegenüber RTL/ntv kritisierte er, die Verteilung des Impfstoffes dauere zu lange. "Was mich wundert, ist, warum man den (Impfstoff, Anm. d. Red.) nicht schon verteilt hat, bevor die Zulassung da war, denn produziert ist der ja längst."   Alle Neuigkeiten zur Corona-Pandemie finden Sie im News-Ticker von FOCUS Online

Söder: "Beim Impfstoff brauchen wir mehr Tempo"

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte ebenfalls das Kaufverfahren kritisiert. "Beim Impfstoff brauchen wir mehr Tempo", hatte Söder der "Bild am Sonntag" gesagt. Es müsse alles darauf ausgerichtet werden, mehr Impfstoff zu bekommen, der dann schneller verteilt werde." Das müsse "absolute politische Priorität sein", forderte Söder.

Der CSU-Politiker hatte die Bürger zeitgleich auf einen Lockdown über den 10. Januar hinaus vorbereitet: "Die aktuellen Zahlen sind so hoch, dass es falsch wäre, schon jetzt in eine Debatte um Lockerungen einzusteigen", sagte er der "Bild am Sonntag". "Der Corona-Winter wird leider noch lang."

Von der FDP kommt ebenfalls Kritik: "Dass für den Großteil der Bevölkerung erst in einem Jahr mit der Impfung begonnen werden soll, ist schlicht nicht akzeptabel", kritisierte FDP-Vizechef Michael Theurer gegenüber dem "Spiegel".

Die entscheidende Frage ist nach wie vor ungeklärt

Rund 1,3 Milliarden Dosen der begehrten Impfstoffe hat die EU bestellt, von unterschiedlichen Herstellern. Rund 250 Millionen sind für Deutschland bestimmt, entsprechend verteilt nach Bevölkerungszahlen der Mitgliedsstaaten. Um das Virus effektiv auszubremsen, müssen 60 bis 70 Prozent der Deutschen geimpft sein. Davon gehen Wissenschaftler derzeit aus. Dafür würden 100 bis 120 Millionen Impfdosen benötigt, wie der "Spiegel" berichtet.

Die entscheidende Frage ist jedoch nach wie vor ungeklärt: Wann erreichen diese 250 Millionen Impfdosen Deutschland? Die ersten 151.125 Impfdosen von Biontech/Pfizer werden am Samstag erwartet. Von einem zentralen Depot aus wird dann verteilt: Jedes Bundesland soll zunächst 9750 Dosen bekommen, ausgenommen Bremen, dessen erste Lieferung 4875 Dosen umfasst.

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Sicher sind nur 60 Millionen Dosen – bei weitem nicht genug

Laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) könnten bis Jahresende 1,3 Millionen Dosen an die Bundesländer ausgeliefert werden. Im Januar sollen dann jede Woche mindestens weitere 670.000 hinzukommen. Laut "Spiegel" soll Biontech/Pfizer im ersten Halbjahr rund 45 Millionen Dosen nach Deutschland liefern, die USA erhalten im gleichen Zeitraum rund 70 Millionen Impfdosen des Unternehmens.

Zusätzlich erhält die EU laut "Spiegel" dann noch 15 Millionen Dosen aus dem Hause Moderna. Insgesamt also 60 Millionen Dosen in sechs Monaten. In Deutschland leben aber 80 Millionen Menschen – und der Impfstoff wirkt nur, wenn zwei Dosen verabreicht werden.

Auf 300 Millionen Sanofi-Dosen wartet die EU noch zwei Jahre

Wann die bestellten Dosen der anderen Lieferanten zu erwarten sind, ist unsicher. Der französische Hersteller Sanofi, von dem die EU insgesamt 300 Millionen Dosen geordert hat, erwartet eine Zulassung erst Ende 2021. Der zweite deutsche Impfstoff, der von CureVac, wird im Sommer erwartet. AstraZeneca hatte während der Zulassungsphase mit Rückschlägen zu kämpfen – mit dem britisch-schwedischen Hersteller hatte die EU eine Vereinbarung über 400 Millionen Dosen getroffen. Es ist derzeit ungewiss, wann mit dem Impfstoff des Herstellers zu rechnen ist.

SPD-Experte Lauterbach wird daher beim Spiegel mit den Worten zitiert: "Wenn Spahn sagt, bis zum Ende des Sommers könnten 60 Prozent der Bevölkerung geimpft werden, dann bedeutet das übersetzt, dass er hofft, dass der AstraZeneca-Impfstoff zugelassen wird." Diese Engpass wäre zu vermeiden gewesen.

Wie konnte es dazu kommen, dass die EU nun neidisch in die USA schaut?

Biontech wollte mehr liefern – sollte aber nicht

Wie der "Spiegel" berichtet, hätte Biontech/Pfizer statt der nun vertraglich zugesicherten 200 Millionen Dosen in einer ersten Auslieferungsrunde mehr als das doppelte liefern können: 500 Millionen Dosen seien möglich gewesen. Die EU jedoch sicherte sich lediglich die angesprochenen 200 Millionen, mit einer Option auf 100 Millionen weitere. Unter anderem Jens Spahn habe sich für eine größere Menge eingesetzt, sei jedoch auch europäischen Widerstand gescheitert.

Der Grund für das zögerliche Einkaufen: Offenbar wollte man vom deutschen Hersteller nicht mehr Dosen kaufen, als vom französischen Hersteller Sanofi – und dort waren es eben nur jene 300 Millionen Dosen. "Deswegen sollte von einem deutschen Unternehmen nicht mehr eingekauft werden", zitiert der "Spiegel" einen EU-Insider, der mit den Verhandlungen zu tun hatte. Die EU-Kommission widerspreche dem, heißt es in dem brisanten Bericht.

Auch Moderna "hätte mehr bereitstellen können"

Auch der US-Hersteller Moderna zeigte sich verwundert über die Verhandlungen mit der EU. Von Moderna kaufte die EU 80 Millionen Dosen – mit einer Option auf weitere 80 Millionen. CEO Stéphane Bancel sagte dem "Spiegel" aber: "Wir hätten mehr bereitstellen können."

Es sei von Anfang an klar gewesen, dass es "zu Beginn knapp sein würde", hatte Spahn zuletzt klargemacht. Deshalb werde es weiterhin nötig sein, bei dem zeitlichen Ablauf nach Gruppen zu priorisieren. Ab Sonntag werde es dann vor allem in den Pflegeheimen losgehen. "Diese Dosen werden schon einen großen Unterschied machen können für viele Pflegeeinrichtungen", sagte Spahn.

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