Patienten mit Lungenversagen durch Krebsmedikament gerettet
Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 kann die Krankheit COVID-19 auslösen, die in seltenen Fällen ein Lungenversagen verursachen kann. Dieses Lungenversagen steht im hohen Maße mit dem Risiko in Verbindung, an COVID-19 zu versterben. Deutsche Ärztinnen und Ärzte berichten nun von einem Behandlungserfolg. Eine COVID-19-Patientin schwebte nach einem Lungenversagen in Lebensgefahr. Ein Krebsmedikament rettete sie.
Medizinerinnen und Mediziner der Marburger Hochschulmedizin haben vielleicht eine neue Behandlungsmethode bei lebensbedrohlichen COVID-19-Verläufen entdeckt. Sie konnten durch die Gabe des Krebsmedikaments Ruxolitinib das Leben einer 65-jährigen COVID-19-Patientin retten. Der Fall wurde kürzlich in dem medizinischen Fachjournal „Leukemia“ beschrieben.
Behandlungserfolg bei Lungenversagen
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Erstmals wurde eine schwer an COVID-19 erkrankte Patientin durch das Krebsmedikament Ruxolitinib erfolgreich geheilt. Die 65-Jährige erlitt infolge einer SARS-CoV-2-Infektion ein akutes Lungenversagen (ARDS). „Die Sterblichkeit ist in diesen Fällen hoch“, berichtet Dr. Thomas Wiesmann, einer der behandelnden Ärzte.
Zustand der Frau verschlechterte sich rapide
Die Frau hatte ansonsten keine Vorerkrankungen und wurde wegen fortschreitender Atemnot und Fieber in die Marburger Hochschulmedizin eingeliefert. Ihr Zustand verschlechterte sich rapide, sodass sie bereits drei Stunden nach der Einlieferung künstlich beatmet (intubiert) werden musste. Insgesamt wurde ihr Zustand als kritisch bewertet.
Rettender Hinweis kam aus chinesischen Studien
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„Aus chinesischen Publikationen wussten wir, dass die Patienten mit einem schweren und sogar tödlichen Verlauf durch einen sogenannten Zytokinsturm charakterisiert sind“, erklärt Professor Dr. Andreas Neubauer, ein Krebsmediziner der Marburger Hochschulmedizin. Dabei handele es sich um eine Überreaktion des Immunsystems, bei der der Körper mit Substanzen überschwemmt wird, die das Gewebe schädigen. Infolge eines Zytokinsturms könne sich das Virus schlagartig vermehren.
Dem Krebsmediziner kam eine rettende Idee. Er wusste aus der Krebsbehandlung, dass das Medikament Ruxolitinib ansprechen könnte. Die Arznei hemmt Enzyme im Körper, die an überschießenden Entzündungsreaktionen beteiligt sind. „Wir haben die behandelnden Kollegen darauf hingewiesen, dass das Krebsmittel vielleicht die lebensbedrohlichen Effekte abwenden könnte, die eine entzündliche Schädigung des Lungengewebes mit sich bringt“, schildert Neubauer.
Eine schwere Entscheidung
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„Wir standen vor einer schweren Entscheidung“, betont Klinikleiter Professor Dr. Hinnerk Wulf. Es war ungewiss, ob sich die Theorie bestätigen würde oder ob von der Behandlung ein unbekanntes Risiko ausgeht. Schließlich entschied sich das Team für die Ruxolitinib-Gabe.
Ein bemerkenswerter Erfolg
Nachdem das Krebsmedikament verabreicht wurde, besserte sich der Zustand der Marburger Patientin kontinuierlich. Das Team dokumentierte eine Stabilisierung sowie eine rasche Verbesserung von Atmung und Herzfunktion. „Dieser Verlauf war im Vergleich zu dem anderer Betroffener bemerkenswert“, unterstreicht Wiesmann. Die Virusvermehrung wurde nach der Verabreichung des Krebsmedikaments eingedämmt. Nach zehn Tagen konnte die Patientin schrittweise vom Beatmungsgerät entwöhnt werden.
Erfolg konnte bereits wiederholt werden
Aufgrund des großen Behandlungserfolgs setzte das Marburger Team das Krebsmedikament noch bei mehreren anderen Patienten ein, um schwere COVID-19-Verläufe in den Griff zu kriegen. „Bei allen, denen das Mittel länger als eine Woche verabreicht worden ist, ist es am Ende gut geworden“, resümiert Neubauer. Ein weiteres Ärzteteam um Professor Dr. Paul Graf La Rosée vom Schwarzwald-Baar-Klinikum berichtete ebenfalls von einem erfolgreichen Einsatz des Mittels.
Wurde endlich eine effektive Behandlung bei schweren Verläufen entdeckt?
Nach den Behandlungserfolgen genehmigte nun das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine klinische Studie, in der die Wirkung von Ruxolitinib bei COVID-19 wissenschaftlich überprüft werden soll. „Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Beginn der Ruxolitinib-Gabe und der gesundheitlichen Besserung ist so eng, dass die Vermutung naheliegt, die Hemmung könne zu dem günstigen klinischen Verlauf beigetragen haben“, fügt Neubauer abschließend hinzu. (vb)
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