COVID-19: Deutlich erhöhte Corona-Ansteckungsgefahr durch Grippe? – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal

Grippe könnte Corona-Übertragung verdoppeln

Schon seit Monaten wird darüber spekuliert, ob die Zahlen der Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und die durch den neuartigen Erreger ausgelöste Erkrankung COVID-19 in den Herbst- und Wintermonaten wieder stark ansteigen könnten. Auch aufgrund der dann anstehenden Grippesaison wird eine Verschärfung der Bedrohung befürchtet. Forschende berichten nun, dass die Corona-Übertragung durch Influenza deutlich steigen könnte.

Schon in wenigen Wochen ist mit dem Start der Grippesaison zu rechnen. Diese dauert laut dem Robert Koch-Institut (RKI) auf der nördlichen Halbkugel üblicherweise von Anfang Oktober bis Mitte Mai. In dieser Zeit zirkulieren die Influenzaviren hauptsächlich und können zu Grippeerkrankungen führen. Dadurch könnte sich auch die Corona-Ansteckungsgefahr deutlich erhöhen.

Verstärkender Einfluss auf die Corona-Pandemie

Laut einer aktuellen Mitteilung haben Forschende am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin und am Institut Pasteur in Paris mithilfe eines mathematischen Modells die ersten Monate der Corona-Pandemie in Europa untersucht.

Sie konnten zeigen, dass die Abnahme der COVID-19-Fälle im Frühling nicht nur mit Gegenmaßnahmen, sondern auch mit dem Ende der Grippesaison zusammenhängt. Influenza-Erkrankungen haben die Corona-Übertragung demnach im Durchschnitt um das 2,5-Fache erhöht.

Das Studienergebnis legt nahe, dass auch die kommende Grippewelle einen verstärkenden Einfluss auf die Corona-Pandemie haben wird – die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen daher die Bedeutung von Grippeimpfungen, auch als möglichen Schutz vor COVID-19.

Die Studie wurde auf der Wissenschaftsplattform „medRxiv“ vorveröffentlicht und muss noch im sogenannten Peer-Review von Fachkollegen begutachtet werden.

Auswirkungen einer Doppelinfektion

Daten aus früheren Experimenten hatten das Team um den Mathematiker Matthieu Domenech de Cellès dazu veranlasst, die Auswirkungen einer Doppelinfektion mit dem Coronavirus und dem Grippevirus zu untersuchen.

Der französische Mathematiker beschäftigt sich eigentlich mit der Wirksamkeit von Impfprogrammen und der Saisonalität von Infektionskrankheiten wie Influenza. Als Anfang dieses Jahres die ersten Corona-Fälle in Europa auftraten, wollte er sein Wissen als Experte für epidemiologische Modelle auf die neue Pandemie anwenden.

Zusammen mit Forschern und Forscherinnen aus Paris und Lyon hat Domenech de Cellès nun ein mathematisches Modell der Corona-Übertragung und Sterblichkeit entwickelt, um den Einfluss der Grippesaison auf die Corona-Pandemie zu entschlüsseln.

Pandemie-Verlauf in vier Ländern modelliert

Die Forschenden haben für ihre Fragestellung den Verlauf der Pandemie in Belgien, Norwegen, Italien und Spanien modelliert – vier europäische Länder, in denen die Pandemie während der ersten Jahreshälfte unterschiedlich stark ausgeprägt war.

Um das Infektionsgeschehen möglichst realistisch abzubilden, flossen in das Modell zum einen Krankheitsparameter ein, zum Beispiel das „Generationsintervall“, also der Zeitraum, nach dem eine Infizierte oder ein Infizierter eine weitere Person ansteckt.

Allerdings wurden auch nicht-pharmazeutische Gegenmaßnahmen mitberücksichtigt, denn natürlich hatten auch Ausgangssperren und „Social Distancing“ einen Einfluss auf die Pandemie. Den Angaben zufolge wurde hierfür der sogenannte Stringenz-Index genutzt, ein von der Universität Oxford entwickelter Wert, der von Null bis 100 die „Härte“ staatlicher Anti-Corona-Maßnahmen misst.

Grippe erhöht Übertragungsrate von Corona

Nachdem die Forschenden die Pandemie „nachgebaut“ hatten, konnten sie verschiedene Annahmen zum Einfluss der Grippesaison testen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überprüften, ob das Modell realistischer ist, wenn Grippe die Corona-Übertragung verringert, gar nicht beeinflusst oder vergrößert.

Laut der Mitteilung konnte das Team zeigen, dass Grippe die Übertragungsrate von Corona in der Bevölkerung im Durchschnitt um das 2,5-Fache erhöht hat. Die Fachleute überprüften ihr Modell mit den Statistiken der täglichen Todesfälle in den vier Ländern und konnten so nachweisen, dass ihr Modell mit der Pandemie-Realität übereinstimmt.

Ohne den nachgewiesenen Einfluss der Influenza entfernte sich das Modell von der Realität – mit deutlich niedrigeren Ansteckungszahlen.

Anfälligkeit für Corona vergrößern

Offen bleibt jedoch, ob Grippekranke mit höherer Wahrscheinlichkeit Corona auf andere übertragen oder ob eine Grippeerkrankung Menschen anfälliger für SARS-CoV-2 macht.

Letzteres ist laut den Forschenden jedoch wahrscheinlicher, denn dass Grippeviren die Anfälligkeit für Corona vergrößern könnten, wurde vor Kurzem auch in Laborstudien nachgewiesen: Die Influenzaviren bewirken demnach eine vermehrte Herstellung von Rezeptoren, die das Coronavirus benötigt, um an menschliche Zellen anzudocken.

Schutzimpfungen gegen Grippeviren

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schließen aus ihren Ergebnissen, dass in der kommenden Grippesaison Schutzimpfungen gegen Grippeviren essenziell sein könnten – nicht nur um Krankenhäuser zu entlasten, sondern auch um den möglichen Effekt auf die Corona-Übertragung einzudämmen. (ad)

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