Neues Coronavirus SARS-CoV2 kann Hirnhautentzündungen auslösen
Weltweit haben sich bereits mehr als 1,6 Millionen Menschen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert. Zehntausende sind an oder mit der Lungenkrankheit COVID-19 gestorben, die der Erreger auslöst. Das neuartige Virus kann laut neuen Erkenntnissen aber auch lebensgefährliche Hirnhautentzündungen hervorrufen.
In den Fachmedien wird seit einigen Tagen über einen neuralen Infektionsweg von SARS-CoV2 berichtet, der als sehr wahrscheinlich angenommen wurde und die neurologische Symptomatik vieler COVID-19-Betroffenen erklären könnte. Ein Fallbericht liefert nun den Beweis, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) in einer aktuellen Mitteilung.
Neurologische Beschwerden bei COVID-19
Noch immer steigt die Zahl der Infektionen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV2. Nicht alle Menschen, die sich mit dem Erreger anstecken, zeigen Symptome.
Bei manchen Patientinnen und Patienten treten nur leichte Beschwerden auf, bei anderen jedoch kommt es zu schweren Verläufen von COVID-19.
In jüngerer Vergangenheit haben Forschende auch häufig neurologische Beschwerden bei COVID-19 entdeckt.
In einem Fallbericht aus Japan, der in der Fachzeitschrift „International Journal of Infectious Diseases“ veröffentlicht wurde, zeigte sich, dass ein junger Mann eine durch den neuen Erreger ausgelöste Hirnhaut- und Hirnentzündung erlitt. Laut der DGN wurde im Nervenwasser SARS-CoV-2-RNA nachgewiesen, der Nasen-Rachen-Abstrich hingegen war negativ.
Coronaviren können in das Gehirn eindringen
Wie in der Mitteilung erklärt wird, weiß man aus jüngsten Veröffentlichungen, dass SARS-CoV-2 wie die bereits bekannten Coronaviren SARS und MERS auch in das zentrale Nervensystem (ZNS) beziehungsweise in das Gehirn eindringen können, insbesondere in den Hirnstamm.
Dies könnte erklären, warum bei COVID-19-Erkrankungen zusätzlich zu den typischen Krankheitszeichen Fieber, Halsschmerzen und Husten – übrigens in einigen Fällen auch ganz ohne respiratorische Beschwerden – neurologische Symptome wie der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Bewusstseinsstörungen auftreten.
Besonderes Aufsehen erregte nun das genannte Fallbeispiel aus Japan, bei dem SARS-CoV-2 bei einem jungen Mann eine Hirnhautentzündung (Meningitis) ausgelöst hat.
„Wie nach den Erfahrungen bei SARS und MERS zu erwarten war, zeigt diese Kasuistik eindrucksvoll, dass das Nervensystem bei COVID-19-Erkrankungen befallen sein kann, und zwar auch bei sehr jungen Patienten“, erläutert Professor Peter Berlit, Essen, Generalsekretär der DGN.
Den Angaben zufolge sind Virusinfektionen als Auslöser einer Hirnhautentzündung/Hirnentzündung (Meningitis/Enzephalitis) per se nicht selten, die DGN hat 2018 dazu eine S1-Leitlinie publiziert. Der vorliegende Fallbericht zeigt nun, dass es auch eine SARS-CoV2-Meningitis gibt.
Arzt vermutete eine Grippe
Der DGN zufolge wird in der aktuell publizierten Kasuistik berichtet, dass der betroffene 24-jährige Mann in den ersten acht Tagen seiner Erkrankung wegen Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit und Fieber zweimal einen Arzt aufgesucht hatte.
Der Mediziner hatte eine Grippe vermutet und ihm ein Influenzamedikament (Laninamivir) sowie fiebersenkende Medikamente verordnet. Eine Lungenröntgenuntersuchung war unauffällig gewesen. Laut dem Bericht wurde der junge Mann am neunten Tag der Erkrankung von der Familie bewusstlos aufgefunden.
Während des Krankentransports kam es demnach zu mehreren epileptischen Anfällen, so dass er intubiert und beatmet werden musste. Im Krankenhaus wurde eine ausgeprägte Nackensteifigkeit diagnostiziert, ein Hauptsymptom der Hirnhautentzündung (Meningitis).
Die bildgebende Untersuchung mit MRT zeigte dann den Befund einer Meningoenzephalitis (Hirnhaut- und Hirnentzündung) mit Hyperintensitäten entlang der rechten lateralen Ventrikelwand sowie rechts mesiotemporal und in der Hippocampusregion.
Im Thorax-CT fanden sich zusätzlich Hinweise auf eine virale Pneumonie (Lungenentzündung). Dennoch war der Nasen-Rachen-Abstrich auf SARS-CoV-2-negativ, im Nervenwasser (Liquor) aber konnte spezifische SARS-CoV-2-RNA nachgewiesen werden. Die Diagnostik auf andere Meningitis-auslösende Viren war laut DGN negativ.
„Kein rein pneumologisches Krankheitsbild“
„Das Besondere an diesem Fall ist, dass der Virusnachweis im Nervenwasser positiv war, aber nicht im Nasenrachenabstrich. Das weist darauf hin, dass das neuartige Coronavirus sich hier offensichtlich über den neuralen Infektionsweg ausgebreitet hat“, so Berlit.
Der neurale Infektionsweg konnte tierexperimentell bei anderen Coronaviren bereits nachgewiesen werden. Die Viren werden dabei von Neuron zu Neuron über die Synapsen weitergegeben. Die Kasuistik liefere nun einen Beweis dafür, dass sich SARS-CoV2 auch bei Menschen über diesen Infektionsweg verbreiten könne.
Auch eine italienische Neurologin aus Mailand, quasi dem Epizentrum der Pandemie in Europa, berichtete in dem Fachmagazin „Neurology“, dass einige COVID-19-Patienten in erster Linie neurologische Symptome aufwiesen – sie empfiehlt daher, jeden Patienten, der sich mit neurologischer Symptomatik vorstellt, routinemäßig auf SARS-CoV2 zu testen.
„Durch die neue Datenlage verdichten sich die Hinweise, dass Covid-19 kein rein pneumologisches Krankheitsbild ist“, so Berlit. „Auch bei neurologischen Leitsymptomen muss an den neuartigen Erreger gedacht werden.“ (ad)
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