Sputnik-V: Was wissen wir über den ersten Corona-Impfstoff?
Ein russisches Forschungsteam veröffentlichte kürzlich die ersten wissenschaftlichen Daten über den in Russland zugelassenen Corona-Impfstoff Sputnik-V. Die verfrühte Zulassung des Impfstoff gilt als umstritten, da Sputnik-V bereits vor der Durchführung einer Phase-3-Studie zur Verwendung in der Bevölkerung freigegeben wurde. Darüber hinaus wurden bis jetzt keine wissenschaftlichen Daten über den Impfstoff zur Verfügung gestellt. Dieses Vorgehen widerspricht dem international üblichen Standard.
Forschende des staatlichen Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau stellen erstmals wissenschaftliche Details zu dem russischen Coronavirus-Impfstoff Sputnik-V bereit. Es handelt sich dabei um die Ergebnisse der nicht-randomisierten Phase-I und II-Tests, die zur Zulassung des Impfstoffs in Russland führten. Laut der Studie ist das Vakzin sicher und führte bei allen 76 Testpersonen zur Produktion von Antikörpern gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Schwere Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Die Ergebnisse wurden in dem renommierten Fachjournal „The Lancet“ vorgestellt.
Was ist Sputnik-V?
Wie das Forschungsteam berichtet, handelt es sich bei Sputnik-V um einen zweiteiligen Vektorimpfstoff, der zwei Injektionen erfordert. Der Corona-Impfstoff ist in zwei Varianten verfügbar. Die eine Formulierung muss bei -18 Grad Celsius gelagert werden und ist zur Anwendung in der breiten Masse gedacht. Bei der anderen Variante handelt es sich um eine aufwändigere gefriergetrocknete Version, die für den Einsatz in schwer zu erreichenden Regionen gedacht ist. Laut den Forschenden kann die gefriergetrocknete Variante bei zwei bis acht Grad Celsius aufbewahrt werden.
Wie wirkt der weltweit erste Corona-Impfstoff?
Der zweiteilige Impfstoff basiert nicht auf SARS-CoV-2-Viren, sondern auf zwei Vektoren der Adenoviren rekombinantes humanes Adenovirus Typ 26 (rAd26-S) und rekombinantes humanes Adenovirus Typ 5 (rAd5-S). Adenovirus-Vektor rAd26-S wird dabei zuerst injiziert, rAd5-S wird 21 Tage später verabreicht.
Die Adenoviren wurden von dem russischen Forschungsteam so modifiziert, dass sie das Spikeprotein von SARS-CoV-2 exprimieren. Auf diese Weise werde sichergestellt, dass die Impfstoff-Empfängerinnen und Empfänger Antikörper gegen SARS-CoV-2 bilden, ohne mit dem Virus in Berührung zu kommen. Diese Technik habe sich bereits in zahlreichen klinischen Studien bewährt, so die Forschungsgruppe. Tatsächlich basieren einige Corona-Impfstoff-Kandidaten, die sich noch in der Entwicklung befinden, auf einem ähnlichen Prinzip.
Was macht der Corona-Impfstoff mit dem Immunsystem?
„Wenn der Impfstoff in die Zellen von Menschen gelangt, liefert er den genetischen Code des SARS-CoV-2-Spike-Proteins“, erklärt Studienhauptautor Dr. Denis Logunov. Dadurch lerne das Immunsystem, SARS-CoV-2-Viren zu erkennen und anzugreifen. Die zweite Auffrischungsimpfung müsse mit einem anderen Adenovirus erfolgen, um eine möglichst wirksame Reaktion des Immunsystems zu erzielen. Die zwei Adenovirus-Vektoren sollen verhindern, dass das Immunsystem gegen einen Vektor immun werde.
Welche Nebenwirkungen gab es?
Die Forschenden berichten zwar von einer allgemein guten Verträglichkeit, es gab aber auch häufig kleinere Nebenwirkungen. So klagten 58 Prozent der Testpersonen über Schmerzen an der Injektionsstelle, jede zweite Person hatte nach der Impfung eine erhöhte Körpertemperatur, 42 Prozent der Teilnehmenden berichteten von Kopfschmerzen, 28 Prozent von einem allgemeinen Schwächegefühl und 24 Prozent von Muskel- und Gelenkschmerzen. Laut dem Forschungsteam seien solche Nebenwirkungen charakteristisch für diese Art des Impfens.
Impfstoff im Blindflug
Das russische Forschungsteam weist darauf hin, dass es derzeit keine Erkenntnisse über die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs zur Verhinderung von COVID-19 gibt. Hierzu seien große Langzeitstudien einschließlich eines Placebo-Vergleichs und weiterer Überwachung erforderlich.
Die Autoren weisen darüber hinaus auf einige Einschränkungen ihrer Studie hin. Zum einen sei die Nachbeobachtungszeit von 42 Tagen sehr kurz, zum anderen handele es sich um eine kleine Studie, die überwiegend männliche Patienten einbezog. Es wurden keine Placebos einbezogen und es gab keinen Kontrollimpfstoff. Ebenso sei das Durchschnittsalter der freiwilligen Testpersonen verhältnismäßig jung. Ein Großteil der Teilnehmenden war zwischen 20 und 30 Jahre alt.
Phase 3-Studie soll nun nachgeholt werden
Die eigentlich erforderliche Phase-3-Studie zu dem Impfstoff soll nun starten. Dazu sollen 40.000 Freiwillige aus verschiedenen Alters- und Risikogruppen mit Sputnik-V geimpft werden. Die Probandinnen und Probanden werden dabei medizinische beobachtet.
Ob die Zulassung von Sputnik-V zu voreilig war, werden wohl erst die kommenden Monate bis Jahre zeigen. Dr. Naor Bar-Zeev, ein amerikanischer Impfstoff-Experte der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, kommentierte die Studie. Er war nicht an der Forschung und Entwicklung des Impfstoffes beteiligt. Die Studie von Logunov und Kollegen sei ermutigend, aber zu klein. Es könne derzeit nichts über die Immunogenität in älteren Altersgruppen abgeleitet werden. Ebenso wenig wurde bislang die klinische Wirksamkeit gegen COVID-19 bestätigt, so Bar-Zeev. (vb)
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