Cathy Hummels im Shitstorm: Warum nicht nur ihr Umgang mit Depressionen schwierig ist – und wie es besser geht

Sommer, Sonne und Strand als Mittel gegen Depressionen – das wollte Cathy Hummels ihren Followern vor einigen Tagen auf Instagram verkaufen. Die Werbung für das sogenannte "Strong Mind Retreat" in einer Luxus-Unterkunft auf der griechischen Insel Rhodos hat der Moderatorin und Autorin allerdings vor allem eines eingebracht: Kritik.

Nicht nur viele der knapp 700.000 Follower der 34-Jährigen zeigten sich empört darüber, dass Hummels die psychische Erkrankung offenbar für lukrative Zwecke nutzen wollte – auch die Deutsche Depressionsliga erhob schwere Vorwürfe. Die Videos von "Events by CH", dem Unternehmen der Moderatorin, vermittelten den Eindruck, dass Depressionen mit Sonnenschein weggezaubert werden könnten, hieß es unter anderem.

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Mittlerweile hat Cathy Hummels das Video gelöscht und sich auf Instagram für die "nicht immer gelungene" Kommunikation entschuldigt. "Eine Verharmlosung der Depression war in keinster Weise meine Absicht", schreibt die Moderatorin, die in früheren Jahren selbst an der psychischen Erkrankung litt, in dem entsprechenden Post. Das Video ist zwar weg, ein fader Beigeschmack bleibt aber trotzdem.

Instagram gegen Depressionen?

Ein Geschmäckle, das allerdings nicht Cathy Hummels selbst gelten sollte – sondern einem großen Teil der Psycho-Blase auf Instagram. Die Influencerin ist bei weitem nicht die Einzige, die mit skurrilen Methoden gegen Depressionen und andere psychische Krankheiten auf Instagram wirbt. Es ist mittlerweile eine ganze Branche um die vermeintlich einfache Hilfe zur Selbsthilfe auf Social Media entstanden.

Ein kleiner Einblick: allein unter dem Hashtag #depression verbergen sich mehr als 24 Millionen Beiträge, unter #depressionhelf finden Nutzer 1,8 Millionen Posts und wer #hilfebeidepressionen in die Suchtleiste eingibt, der landet immerhin bei mehr als 1000 Inhalten. Das Angebot für Menschen, die auf Instagram nach einer schnellen Lösung für ihre psychischen Probleme suchen, ist also auf den ersten Blick enorm.

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Das Problem: Auch, wenn nicht alle Inhalte einen kommerziellen Hintergrund haben und sich durchaus auch professionelle Psychotherapeuten und Wissenschaftler:innen unter den Influencern tummeln, die Aufklärung betreiben, können viele User das Eine nicht immer eindeutig vom Anderen unterscheiden. Wer gerade eine depressive Episode durchlebt, der ist oftmals ohnehin von Schuldgefühlen, Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit geplagt.

Studien zeigen Zusammenhang zwischen Social Media und Depressionen

Wenn Betroffene dann mit den scheinbar einfach umsetzbaren Instagram-Strategien konfrontiert werden und diese bei ihnen keine Wirkung zeigen – was realistisch betrachtet zu erwarten ist –, dann kann es sogar zu einer Verschlimmerung der Symptome kommen. Forscher der Universitäten in Arkansas und Pittsburgh gehen hier sogar noch einen Schritt weiter.

Sie haben in Studien herausgefunden, dass Instagram sogar Depressionen auslösen kann. Und auch Forscher der Ruhr-Universität Bochum kamen im Jahr 2019 zu dem Schluss, dass Social Media depressive Episoden zumindest begünstigt. Ursächlich dafür sei vor allem der ständige Vergleich mit unerreichbaren und optimierten Vorbildern.

Bewegung für den Kopf

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Davon gibt es auf Instagram unzählige. Cathy Hummels ist nur ein Beispiel für die Menschen, an denen sich "normale" Menschen tagtäglich messen. Und Tag für Tag verlieren. Ein Luxus-Retreat, um die bösen Geister im Kopf zu besiegen – das kann sich wohl kaum jemand wirklich leisten. Beiträge, wie der von Hummels, erzeugen also vor allem Druck und Schuldgefühle bei den Nutzern. Helfen tun sie dagegen kaum jemandem wirklich. Oder?

Was Cathy Hummels von Nora Tschirner lernen kann

Cathy Hummels wollte nach eigener Aussage mit ihrem Post die Aufmerksamkeit für Depressionen erhöhen. Dass sie dafür den falschen Weg gewählt hat, ist unstrittig. Sie hat einen Fehler gemacht. Aber rechtfertigt das einen Shitstorm? Immerhin ist die Moderatorin selbst an Depressionen erkrankt, ergo selbst Betroffene. Als Person des öffentlichen Lebens genießt sie Privilegien, von denen manche Menschen nur zu träumen wagen. Aber was wir gern vergessen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Die Psychotherapeutin Dr. Eva Wlodarek sagte in einem Gespräch mit der "Abendzeitung München" dazu: "Der ständige Zwang, perfekt zu erscheinen, ist psychischer Stress. Außerdem ist eine wirkliche Begegnung mit anderen Menschen kaum möglich, weil ein Star nicht als echte Person wahrgenommen wird, sondern als Objekt der Verehrung oder als Projektionsfläche für Wünsche und Träume seiner Fans. Auf diese Weise ständig "verkannt" zu werden, ist schmerzhaft." Wenn wir also Feingefühl von Prominenten erwarten, dann sollten wir es ihnen auch zurückgeben.

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Trotzdem kann sich Cathy Hummels von anderen Prominenten im Umgang mit Depressionen noch eine Scheibe abschneiden. Zum Beispiel von Schauspielerin Nora Tschirner. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hat sie offen über ihr Erleben der psychischen Krankheit gesprochen: "Ich konnte mich nicht mehr freuen und mir nicht einmal mehr vorstellen, wie es wäre, mich über etwas zu freuen."

Der einzig seriöse Rat gegen Depressionen

Ähnlich haben sich auch die Comedians Kurt Krömer und Thorsten Sträter über ihre eigene depressive Erkrankung in der Öffentlichkeit geäußert. Beide haben, genauso wie Cathy Hummels, auch Bücher über die dunkle Zeit ihres Lebens geschrieben – aber von Luxus-Retreats war bei den Komikern keine Spur. Der einzige Rat, den Tschirner in Bezug auf Depressionen zu geben hatte: "Lasst euch helfen." Und das ist auch das einzige, das man Betroffenen seriös mit auf den Weg geben kann.

Denn: Depressionen lassen sich in der Regel nicht durch Sonnenlicht oder einen Urlaub kurieren. Das Krankheitsbild ist höchst individuell und bedarf deshalb oft einer psychotherapeutischen und/oder medikamentösen Behandlung. In jedem Fall aber gibt es zwar kein Allgemeinrezept gegen Depressionen – aber Hilfe.

Rat und Hilfe

Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter (0800) 1110111 und (0800) 1110222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich.  Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

Quelle: Instagram Cathy Hummels, Deutsche Depressionsliga, Studie der Ruhr-Unisverität Bochum, 

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