Brauchen wir alle eine 4. Impfung? Neue Daten zeigen, wie schnell Antikörper verschwinden

Neue Daten des Paul-Ehrlich-Instituts zeigen, dass die Antikörper bereits wenige Monate nach der Impfung wieder sinken. Heißt das, wir alle brauchen die vierte Impfung?

Dass zwei Impfdosen nicht ausreichend sind, um langfristig vor schweren Corona-Verläufen zu schützen, ist bekannt. Doch wie Wissenschaftler des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) nun in einer neuen Studie zeigen, nimmt die Zahl der schützenden Antikörper auch schon wenige Monate nach der dritten Dosis wieder deutlich ab. Das wirft die Frage auf: Brauchen wir jetzt alle eine vierte Impfung?

PEI veröffentlicht neue Daten zum Impfschutz

Gemeinsam mit Forschern der Main-Kinzig-Kliniken untersuchte das Paul-Ehrlich-Institut die Antikörperantwort nach Corona-Impfung mit dem Biontech-Impfstoff „Comirnaty“. Dabei ermittelten sie den Anstieg der Antikörper (Titer) nach Auffrischimpfung(en) und die Abnahme des Wertes gegenüber Sars-CoV-2-Varianten mit der Zeit nach der Impfung.

Zudem prüften sie die Veränderung der Affinität – also die Stabilität – der Antikörperbindung an das Spike-Protein verschiedener Virusvarianten im Zeitverlauf, heißt es in einer Mitteilung.

Dabei stellten die Wissenschaftler fest:

  • Zwei Impfungen: Nach zweifacher Impfung gegen Covid-19 sind die Antikörperspiegel gegenüber der derzeit in Deutschland dominierenden Omikron-Variante gering.
  • Drei Impfungen: Eine erste mRNA-Auffrischungsimpfung hingegen erhöhte die Antikörperspiegel zwar deutlich – aber nicht langfristig gegen alle Varianten.
    „Zwar waren fünf bis sechs Monate nach der dritten Impfung weiter Omikron-Spike-Protein-bindende Antikörper nachweisbar, aber in 36 Prozent der untersuchten Seren wurden keine Omikron-neutralisierenden Antikörper mehr detektiert“, schreiben die Forscher. Gegen Delta hingegen seien noch neutralisierende Antikörper verfügbar gewesen.
    Hinweis: Bindende Antikörper markieren die Viren im Körper für die Eliminierung. Neutralisierende Antikörper können hingegen das Eindringen des Virus in die Zellen verhindern. Letztere sind daher für die Virusabwehr besonders wichtig.
  • Vier Impfungen: Eine zweite Auffrischimpfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty – was der vierten Covid-19-Impfung entspricht – sorgte dann erneut für einen deutlichen Anstieg Omikron-, Delta- und Wuhan-neutralisierender Antikörper.

Ob jemand ausschließlich mit Comirnaty oder zuvor mit Vaxzevria (Astrazeneca) und dann Comirnaty geimpft wurde, machte den Forschern nach keinen Unterschied im Hinblick auf die Breite der Immunantwort nach der Booster-Impfung.

Brauchen wir alle die vierte Impfung?

Die Daten könnten eine vierte Impfung für alle Menschen nahelegen. Immerhin ist hierzulande die Omikron-Variante vorherrschend. Zudem nimmt gerade der Anteil der als noch infektiöser geltenden Untervariante BA.5 in Deutschland zu. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die vierte Impfung bislang aber nur für

  • Menschen über 70 Jahre und
  • anderen Menschen mit besonderem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf.

Andere Länder sind schon weiter. Schweden etwa empfiehlt die vierte Dosis schon allen ab 65 Jahren, will im Herbst sogar die fünften Dosen verabreichen. Und wer als Erwachsener schon jetzt eine vierte Dosis möchte, der bekommt sie. Das teilten die Gesundheitsbehörden Ende Mai mit.

Doch auch andere deutsche Experten bleiben dabei: Die vierte Impfung ist vorerst nur für Risikogruppen relevant. Virologe Martin Stürmer sprach sich etwa im Gespräch mit „Hessenschau“ für einen zweiten Booster nach drei Monaten aus. „Menschen, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben, sollten schauen: Wie lange liegt meine Impfung zurück, meine Boosterung, meine Genesung?“ Lägen dazwischen mehr als drei Monate, solle der Impfschutz aufgefrischt werden.  
 

Lauterbach will jedem im Herbst vierte Impfung anbieten

Das heiße aber nicht, dass sich jetzt jeder nachimpfen lassen soll, betonte er. „Für die Allgemeinbevölkerung macht es aktuell keinen Sinn, in Panik zu verfallen und massenhaft in die Impfzentren zu laufen“, so der Virologe. Stattdessen fordert er von der Regierung, eine geeignete Strategie für den Herbst zu beschließen – „möglichst mit dem angepassten Impfstoff.“

  • Mehr zum Thema: Bringt Viertimpfung doch mehr als gedacht? Neue Daten widersprechen Israel-Studie

Einen solchen plant etwa Biontech im Spätsommer oder Anfang Herbst auf den Markt zu bringen. Der ist zwar an Omikron-Varianten ausgerichtet – aber nicht an der aktuell zunehmenden BA.5. „Es ist zu befürchten, dass er nicht optimal vor einer BA.5-Infektion schützt“, so Stürmer. Zuversichtlich bleibt er dennoch: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auch mit diesem Impfstoff einen sehr guten Schutz vor schweren Verläufen und Todesfällen haben werden und gegebenenfalls auch einen höheren Schutz vor Omikron-Infektionen verglichen mit den bisherigen Impfstoffen.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigte bereits an, zusätzlichen Corona-Impfstoff für den Herbst zu bestellen. Er betonte, eine Lehre aus der Pandemie sei, nie wieder zu wenig Impfstoff zu haben. Allen, die es bräuchten oder wünschten, solle dann auch eine vierte Impfung angeboten werden können.

Bis zu 60 Liter pro Stunde! Heftiger Starkregen kann ganze Städte unter Wasser setzen


Quelle: Den ganzen Artikel lesen