Neue Studie: Migräne auslösende Wirkung von Rotwein überschätzt?
Gesundheitsexperten zufolge leiden etwa 15 Prozent der Deutschen an Migräne. Ausgelöst werden können die Kopfschmerzattacken durch bestimmte Trigger. Auch Rotwein zählt zu diesen. Doch eine neue Studie liefert nun Hinweise darauf, dass die Migräne auslösende Wirkung von Alkohol/Rotwein bislang womöglich überschätzt wurde.
Rotwein womöglich kein eigenständiger Migräne-Trigger
Etwa 15 Prozent der Bevölkerung leidet unter Migräne. Betroffene können durch die Erkrankung regelrecht außer Gefecht gesetzt werden. Migräneattacken können durch eine Vielzahl von Reizen ausgelöst werden. Auch Rotwein zählt zu diesen sogenannten Triggern. Doch laut einer neuen Studie löst der Wein nur bei wenigen Patienten immer eine Migräneattacke aus. Die Studienautoren zweifeln daher an, dass Alkohol/Rotwein ein eigenständiger Migräne-Trigger ist.
Stark eingeschränkte Lebensqualität
Wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Mitteilung erklärt, ist die Migräne gekennzeichnet durch wiederkehrende, in der Regel sehr starke, einseitige Kopfschmerzen, die bei einigen der Betroffenen auch mit bestimmten neurologischen Symptomen (sogenannten Aura-Symptomen) einhergehen.
Diese treten meistens vor den eigentlichen Kopfschmerzen auf, zu ihnen gehören beispielsweise Schwindel, Augenflimmern, Einengungen des Gesichtsfeldes, auch Kribbeln oder Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen.
Bei manchen Patienten kommt es während der Kopfschmerzphase zu Übelkeit und Erbrechen, häufig ist auch eine besonders ausgeprägte Lärm- oder Lichtempfindlichkeit während der Kopfschmerzattacke.
Die Dauer eines Migräneanfalls variiert von Patient zu Patient – bei einigen ist sie „schon“ nach vier Stunden überstanden, bei anderen hält sie bis zu drei Tagen an.
Auch die Häufigkeit von Migräneattacken ist ganz unterschiedlich. Außer Frage steht, dass die Erkrankung für die Betroffenen extrem belastend ist und die Lebensqualität stark einschränkt.
Zahlreiche Patienten müssen zur Vorbeugung von schweren Migräneanfällen kontinuierlich Medikamente einnehmen.
Ursachen sind noch nicht vollständig erforscht
Wie die DGN weiter erläutert, zählt Migräne zu den neurologischen Erkrankungen, deren Ursachen noch nicht vollständig erforscht sind.
Bekannt sind aber Auslöser (sogenannte Trigger) einer Migräneattacke, wie zum Beispiel Stress, Änderungen des Schlaf-Wachrhythmus, Wetterumschwünge oder zyklusbedingte hormonelle Veränderungen bei Frauen (der Anteil der Frauen, die unter Migräne leiden, ist übrigens fast doppelt so hoch wie der der Männer!).
Ungewohnte, „extreme“ Sinneswahrnehmungen wie Lärm, visuelle Reize oder Gerüche können ebenfalls Migräneanfälle auslösen.
Zudem kann die Ernährung hineinspielen: Bei einigen der Betroffenen können die Kopfschmerzen durch das Auslassen von Mahlzeiten, bei andere durch bestimmte Lebens- und Genussmittel provoziert werden.
Darunter unter anderem Schokolade und Alkohol und dabei vor allem Rotwein: „Insbesondere Rotwein setzt aus den Blutplättchen Serotonin frei, worauf Migräniker empfindlich reagieren können“, schreibt die Stiftung Kopfschmerz auf ihrer Webseite.
Stellenwert alkoholischer Getränke als Auslöser von Migräneattacken untersucht
Eine niederländische Studie, die vor kurzem im Fachmagazin „European Journal of Neurology“ veröffentlicht wurde, untersuchte den Stellenwert alkoholischer Getränke als Auslöser von Migräneattacken und den Effekt auf den Konsum von Alkohol bei Migränepatienten.
Den Angaben zufolge wurden 2.197 Patienten webbasiert zu ihrem Trinkverhalten und den Triggern, die bei ihnen die Kopfschmerzattacken auslösen, befragt.
Die Befragten waren Teilnehmer des „Leiden University MIgraine Neuro-Analysis“ (LUMINA)-Projektes im Alter von 18 bis 80 Jahren, die unter Migräne gemäß der internationalen medizinischen Klassifikation ICHD-3 leiden.
1.547 von den Befragten gaben an, Alkohol zu konsumieren. Insgesamt 783 Patienten (35,6 Prozent) erklärten, dass Alkohol bei ihnen Kopfschmerzattacken auslöst.
Unter den Probanden, die gelegentlich Alkohol trinken, war der Anteil sogar noch höher: In dieser Gruppe gaben 42,5 Prozent an, dass Alkohol bei ihnen ein Migräne-Trigger sei.
Diese Patienten, bei denen der Konsum von Alkohol Migräneanfälle auslöst, hatten im Vergleich zu den anderen einen geringeren Body-Mass-Index (BMI), litten öfter unter Migräne ohne Aura-Symptome, hatten mehr Migräneattacken pro Jahr und mehr „Migränetage“.
Nur ein „gefühlter“ Auslöser?
Zudem untersuchte die Studie, welche alkoholischen Getränke besonders oft zu Migräneattacken führen. Am häufigsten wurde Wein, vor allem Rotwein, genannt.
Laut DGN wird vermutet, dass bestimmte, in Rotwein enthaltene Inhaltsstoffe wie Histamin, Tyramin oder Phenylethylamin diesen Effekt verursachen könnten.
Die Befragten gaben an, dass schon zwei Standardgläser ausreichen, um einen Migräneanfall zu provozieren.
Doch nur 8,8 Prozent der Studienteilnehmer berichteten, dass Rotwein bei ihnen immer und ausnahmslos zu Migräneanfällen führt.
Daher zweifeln die Studienautoren an, dass Alkohol/Rotwein ein eigenständiger Trigger ist. Fakt sei jedoch, dass Migräne das Konsumverhalten von Alkohol verändert, viele Patienten nehmen Abstand.
Den Studienautoren zufolge kann daher diskutiert werden, ob Alkohol ein echter oder nur ein „gefühlter“ Auslöser von Migräneattacken sei.
Vermeidbare Trigger umgehen
„Selten ist nur ein einziger Trigger für den Ausbruch eines Migräneanfalls verantwortlich, meist kommen mehrere Auslöser zusammen“, sagte DGN-Pressesprecher Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Essen.
„Rotwein kann man leicht umgehen, andere Migräneauslöser, wie z.B. Hormonschwankungen oder Wetterumschwünge, aber nicht. Deswegen ist es klug, auf vermeidbare Auslöser zu verzichten, um das Risiko für das Auftreten von Migräneattacken geringer zu halten“, so der Experte.
„Die Studie sollte keinesfalls so interpretiert werden, dass Migränepatienten ruhig Rotwein trinken sollten – Alkohol, insbesondere Rotwein, bleibt ein Migräne-Trigger, nicht geklärt ist nur, wie groß sein Einfluss tatsächlich ist“, erklärte Diener.
„Migränepatienten sind immer gut beraten, jeden vermeidbaren Auslöser einer Migräneattacke zu umgehen.“ (ad)
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