Zusatzverkäufe haben in Apotheken häufig ein schlechtes Image. Vokabeln wie „etwas andrehen“ oder ähnliches fallen häufig. Warum Zusatzverkäufe wichtig sind, warum Apothekenteams sich oft schwertun damit und sie sich von diesem Mindset verabschieden sollten, hat DAZ-Autorin Anna Schatz im ersten Teil ihres Artikels beschrieben („Warum Zusatzverkäufe wichtig sind und was Apotheken besser können als Chatbots“). In diesem zweiten Teil geht es jetzt darum, wie man erfolgreich Zusatzverkäufe abschließt.
Zusatzverkäufe empfinden viele Mitarbeiter:innen noch immer als unangenehm. Dabei sind sie eine Chance, den Kunden zu zeigen, dass sie von dem Besuch ihrer Vor-Ort-Apotheke profitieren können. Und die Praxis zeigt: Kund:innen wollen mehr – mehr Empfehlungen, mehr Ergänzungen, mehr Klarheit in der Beratung. Doch auch wenn Apothekenteams zu der Erkenntnis gelangt sind, dass das Thema angegangen werden muss, tun sie sich oft schwer in der Umsetzung.
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Wichtig dabei ist: Beim Optimieren der Gesprächsrhetorik geht es nicht um das Auswendiglernen von aalglatten Formulierungen oder Verkaufsargumenten. Ganz im Gegenteil: Es geht um eine gekonnte Mischung aus Natürlichkeit und absoluter Professionalität. Die Apothekenteams sollten eine Fähigkeit nutzen, die sie alle haben: das Mitfühlen. In der Fachsprache wird das „Emotional Selling“ genannt. Genau diese Fähigkeit ist auch die einzige, die Sie im Beratungsgespräch vom Versandhandel abgrenzt. Denn automatische Beratungsprogramme sind im Bereich der Zusatzverkäufe sogar oft erfolgreicher als Ihre Mitarbeitenden, denn sie haben keine Hemmungen. Aber sie können kein echtes Mitgefühl und kein Interesse für die Patient:innen und ihre Sorgen zeigen. Sie hingegen können genau damit punkten, um Zusatzempfehlungen optimal vorzubereiten: Finden Sie heraus, was Ihrem Kunden wichtig ist.
Und damit gelangen wir zum ersten Schritt einer 6-Schritte-Strategie, die Sie für erfolgreiche Zusatzverkäufe einsetzen können, hier am Beispiel Metformin.
Schritt 1: öffnende Fragen
- „Sie kennen Ihr Medikament?“
- „Hat der Arzt Ihnen die Einnahme erklärt?“
- „Ist das für Sie?“
- „Eine kleine oder große?“
Kennen Sie diese Fragen aus Ihrer Apotheke? In der Tat ist es danach schwierig, in einen Dialog zu kommen, wenn Ihr Gegenüber sich nicht die Mühe macht, aktiv auf Sie zuzugehen. Beginnen Sie das Gespräch deshalb direkt mit öffnenden Fragen, die dazu anregen zu erzählen und mit denen Sie den Kunden signalisieren: „Ich möchte mehr erfahren.“ Dabei bekommen Sie so viele Informationen über die Bedürfnisse Ihres Gesprächspartners, seine Erkrankung und mögliche Begleiterscheinungen, dass Sie bereits die ersten Ideen zu Therapieergänzungen bekommen. Ihr Gesprächsanteil sollte in dieser Phase bei maximal 30 Prozent liegen.
Praxistipp
Öffnende Fragen beginnen oft, jedoch nicht immer, mit W. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Ihr Gesprächspartner seine Antwort frei wählen darf. Die Antworten sind deutlich informativer als bei anderen Fragearten, und es entsteht meist ein Dialog.
Beispiele:
- Sie bekommen ein Medikament, um den Zuckerspiegel zu senken? Wie äußert sich Ihre Erkrankung im Alltag?
- Seit wann nehmen Sie das Präparat?
- Was machen Sie für Erfahrungen bei der Einnahme? Wie vertragen Sie es? Gibt es Dinge, die noch nicht optimal funktionieren?
- Welche anderen Medikamente nehmen Sie ein?
Lassen Sie Ihrem Kunden, Ihrer Kundin Zeit zu antworten und geben Sie, wenn möglich, keine Antwortoptionen vor. So darf Ihr Gesprächspartner erzählen, was er möchte. Sie werden überrascht sein, was Sie Neues erfahren.
Schritt 2: Klären des Erstmedikamentes
Zeigen Sie sich nun als kompetenter Partner und befriedigen Sie das erste Bedürfnis Ihres Kunden. Geben Sie ihm sein verordnetes Medikament oder das Medikament, das er sich gewünscht hat. Geben Sie dabei ruhig ein paar mehr Informationen. Nutzen Sie hierfür beispielsweise die Informationsfunktion Ihres Kassenprogramms. Sie haben jetzt die Chance, sich als Fachmann oder Fachfrau zu platzieren und Vertrauen zu gewinnen. Wichtig dabei ist, dass Sie die Sprache Ihres Gegenübers übernehmen und Informationen verständlich verpacken. In unserem Beispiel, dem Metformin, käme eine Dosierungs- und Anwendungsempfehlung hinzu, wie zum Beispiel: „Sie nehmen morgens und abends eine Tablette zu oder direkt nach einer Mahlzeit. Das ist wichtig, damit das Metformin direkt mit dem Zucker aus Ihrem Essen weiterarbeiten kann.“
Sie glauben, das wissen Ihre Kund:innen alles schon? Studien haben ergeben, dass über 70 Prozent der häufigsten Nebenwirkungen durch Einnahmefehler in der Dauermedikation entstehen.
Schritt 3: Schlüsselfragen stellen
Nachdem Sie im Dialog zu Anfang viele Informationen über den Kunden und seine Bedürfnisse sammeln konnten, liegt es jetzt an Ihnen, aktiv auf Ihren Gesprächspartner zuzugehen. Machen Sie ein Beratungsangebot und lassen Sie den Kunden nicht in der Holschuld. Signalisieren Sie, dass Sie sich wirklich interessieren und Lust haben, noch weiter über das entsprechende Thema zu sprechen.
Sie haben gesehen oder erfahren, dass Ihr Patient mehrere Arzneimittel bekommt, die einen Vitamin-B12-Mangel verursachen? Oder Ihr Kunde erzählt Ihnen von wiederkehrenden Magen-Darm-Problematiken und Sie als Experte wissen, dass es unter der Einnahme von Metformin bei vielen Patient:innen zu Blähungen kommt?
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Wenn Diabetes juckt
Vielleicht startet Ihr Gesprächspartner gerade mit der Einnahme, und sein Diabetes ist für ihn noch neu, dann ist das Thema Hautpflege für ihn von Bedeutung. Jetzt ist der Moment, in dem Sie emotionales Interesse an einer tiefergehenden Kundenbindung signalisieren können. Am einfachsten gelingt Ihnen und Ihren Mitarbeitenden der Übergang zur Zusatzempfehlung mit einer Schlüsselfrage. Doch Vorsicht: Schlüsselfragen gelingen nur dann, wenn Sie in Phase 1 wirklich zugehört haben.
Beispiele:
- Hat Ihnen schon mal jemand erklärt, dass durch den Diabetes Ihre Haut sehr viel trockener ist als sonst und auch bei kleinen Verletzungen schlechter heilen kann?
- Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie sich tagsüber oft schlapp oder antriebslos fühlen?
- Viele unserer Kunden, die Metformin einnehmen, berichten vom sogenannten Ameisenlaufen an Füßen oder Beinen. Kennen Sie das auch?
Kreieren wir ein umgekehrtes Szenario: Ihr Kunde bekommt in Ihrer Apotheke keine Therapieergänzungsempfehlung zu seinem Metformin. Durch Zufall besucht er im nächsten Monat eine andere Apotheke, in der er darauf angesprochen wird, ob er manchmal Krämpfe in den Beinen hat. Er kauft ein Vitamin-B12-Präparat und niedrigdosiertes Magnesium und bemerkt eine dauerhafte Linderung. Er hätte Sie nur fragen müssen, oder?
Schritt 4: Zusatzempfehlung aussprechen
Hat Ihr Kunde positiv auf eine Ihrer Schlüsselfragen reagiert, sprechen Sie nun eine glasklare, sichere und konkrete Empfehlung aus. Machen Sie sich dabei nicht zu viele Gedanken über die richtige Rhetorik. Natürlich ist es gut, wenn Sie einen Nutzen für den Kunden herausstellen (siehe Kasten), doch das Wichtigste ist, dass Sie sich Ihrer Sache sicher sind.
Die deutsche Sprachwelt hat sich in den letzten drei Jahren deutlich verändert. Haben wir früher komplizierte Verkaufsformeln aufgebaut, in denen Merkmal, Vorteil und Nutzen vorkamen, so dürfen Sie heute die gelernte Sprache Ihrer Kund:innen benutzen. In dieser Sprache fühlen wir alle uns zu Hause. Wir verstehen sie und wissen, was auf uns zukommt. Menschen leben, fühlen und kaufen unterschiedlich, und doch gibt es immer wiederkehrende Muster, die es sich lohnt zu kennen. Und genau dort setzen die Rhetoriken der ganz großen Verkaufsgenies an. Was ich damit meine? Schauen Sie sich dort um, wo Menschen schnell und einfach kaufen. Öffnen Sie die Internetseite des größten Onlinehändlers weltweit und geben dort ein Produkt Ihrer Wahl ein, so können Sie die folgenden Rhetoriken zum Thema Zusatzverkäufe identifizieren:
- Kunden mit Ihren Interessen schauten sich auch an
- Rezensionen von anderen Kunden
- Genau passend dazu gibt es
Es ist der Sprachgebrauch von Milliarden kaufenden Kund:innen und wahrscheinlich auch von Ihnen. Adaptieren Sie ihn. Das geht dann beispielsweise so:
- „Viele unserer Kund:innen berichten sehr positiv von der zusätzlichen Einnahme von …“
- „Genau passend zur diabetischen Haut gibt es eine Pflege, die dafür sorgt, dass …“
- „Die meisten Patienten kaufen bei uns zusätzlich …“
Klingt einfach? Ist es auch. Kombinieren Sie Ihre Aussagen gerne mit einem starken Nutzen für Ihren Kunden und lassen Sie ihm dann die freie Wahl. Nur etwa 50 Prozent der Menschen können eine sofortige Entscheidung vor Ort treffen, die anderen 50 Prozent brauchen schon von Natur aus Bedenkzeit. Drucken Sie einen Empfehlungszettel aus, auf dem der Name Ihrer Apotheke steht. Der Kunde darf wiederkommen. Seien Sie sich sicher, dass er Sie als kompetenten Ansprechpartner in Erinnerung behält und bei der nächsten Frage auf Sie zukommt.
Schritt 5: Herzenswärme
Ihr Kunde hat nun Ja oder Nein gesagt. War die Antwort ein Ja, vergessen Sie bitte nicht, das Gespräch gleich mit sinnvollen Null-Euro-Empfehlungen zu schließen. Argumentieren Sie auch in keinem Fall nach. Sondern signalisieren Sie, dass Sie sich Ihrer Sache weiter sicher sind. Ihr Kunde hat sich entschieden und darf das Produkt nun haben. Geben Sie es ihm einfach. Genau das macht den Charme von emotionalen Zusatzverkäufen aus. Sie signalisieren, dass der Verkauf für Sie nicht im Vordergrund stand. Einem Kunden, der grade zusätzlich zu einem Schmerzgel noch eine pflanzliche Tinktur für Umschläge gekauft hat, können Sie jetzt erklären, wie man einen Wickel richtig anlegt. Ein Hinweis auf kühlende Kompressen oder auf eine stützende Schreibtischunterlage, weil das Handgelenk schmerzt, sind Empfehlungen, die Sie nun geben können.
Auch im Rx-Bereich dürfen Sie nun noch mal zeigen, was Sie können. Denken Sie dabei daran, dass die meisten Ihrer Kund:innen keine Berührung zum medizinischen und pharmazeutischen Fachwissen haben und auch über Ihre kleinen Tipps sehr dankbar sind. So kann es für den Diabetiker in unserem Beispiel wichtig sein zu wissen, dass er in den ersten zwei Wochen auf verdauungsfördernde Kost verzichten soll, damit es ihm gut geht.
Schritt 6: Wenn es mal nicht klappt
War die Antwort ein Nein, kommt es nun darauf an, dass Sie die Absage nicht persönlich nehmen. Entsteht ein unangenehmes Gefühl für den Kunden, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gespräch beim nächsten Mal schon zu einem früheren Zeitpunkt abbrechen. Bleiben Sie natürlich, kommt er sicher gerne auf Ihre Beratung zurück. Auch die besten Empfehler wissen, dass eine noch so perfekt vorbereitete Zusatzempfehlung vom Kunden mit einem „Nein danke” abgelehnt werden kann. Dabei kommt es oft auf die emotionale Ausgangslage des Kunden an.
Doch was unterscheidet Sie im Umgang mit Ablehnung gegenüber anderen Menschen? Es kommt auf Ihre innere Einstellung an. Sagen Sie sich immer wieder, dass die Absage allein dem Produkt galt und nicht Ihnen als Mensch, verändert sich nach und nach auch Ihr Auftreten nach einem Nein. Eine Zusage dürfen Sie ausführlich feiern. Sie ist eine Bestätigung Ihrer Kompetenz, und gleichzeitig haben Sie die Möglichkeit genutzt, einen Kunden vollumfänglich zu umsorgen.
Praxistipp: Dos and Don’ts im Beratungsgespräch
Vermeiden:
- geschlossene Fragen am Anfang des Gesprächs
- komplizierte Fachbegriffe verwenden
- davon ausgehen zu wissen, was der Kunde braucht
- komplizierte Verkaufsrhetoriken aufbauen
- ein „Nein“ persönlich nehmen
- Dauerpatienten nicht mehr zusätzlich beraten
Unbedingt machen:
- Checklisten zu den häufigsten Rx-Verordnungen anlegen und Fachwissen auffrischen: Was sind die häufigsten Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen? Welche Zusatzempfehlungen können ausgesprochen werden?
- drei öffnende Fragen in jedes Gespräch einbauen
- Strategien offenlegen; sagen Sie dem Kunden ruhig: „Es gibt eine Sache, die möchte ich für Sie nachschauen.“
- zuhören und mitfühlen
- kleine Null-Euro-Empfehlungen aussprechen
- nicht aufschieben, sondern starten
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