Nadya, 30 Jahre, 136 Kilo schwer, fährt gerne Karussell. Mit Jenke von Wilmsdorff besucht sie eine Kirmes. Sie wollen in ein Fahrgeschäft, doch das Problem ist der Bügel. Immer wieder versucht der Betreiber, ihn herunterzudrücken. Doch er rastet nicht ein, Nadya ist zu dick. „Was ist das Problem? Der Bauch, oder was?“, fragt von Wilmsdorff, der neben Nadya Platz genommen hat. Sein Bügel ist geschlossen. „Bauch, Brüste“, antwortet der Kirmesmann. „Normalerweise findet das alles unter den Augen der ganzen Leute statt, die hier fahren wollen?“, fragt von Wilmsdorff, dieses Mal zu Nadya gewandt. Sie nickt. „Urgh“, antwortet der TV-Reporter. „Was für ein Mist.“
Die TV-Dokumentation, zu der diese Szene gehört, trägt den Titel „Jenke macht Mut – Der schwere Kampf gegen die Kilos“. RTL zeigte die Doku am Montagabend zur Primetime um 20.15 Uhr. Und es erscheint schon ein wenig ironisch, dass ausgerechnet eine TV-Dokumentation, die laut Titel „Mut“ machen soll, mit einer Szene wie dieser startet.
Dabei ist das Thema der Sendung wichtig, keine Frage. Es geht um den Kampf gegen Übergewicht. Dieser Kampf betrifft nicht nur Einzelne, sondern längst die gesamte Gesellschaft. „Jeder zweite Deutsche ist zu dick. Übergewicht macht krank“, sagt Jenke von Wilmsdorff, der vielen TV-Zuschauern als Reporter des „Jenke-Experiments“ bekannt sein dürfte. Er will wissen: „Warum werden wir immer dicker? Und vor allem: Wie nimmt man dauerhaft ab?“
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, begleitet das TV-Team zwei übergewichtige Menschen: Da wäre Simone, 43 Jahre alt und zweifache Mutter. Als ihre Eltern sich scheiden lassen, sucht sie Trost im Essen. „Das ist kein Hunger, den mein Körper empfindet, sondern so ein Seelenhunger“, sagt die Erzieherin, die 135 Kilo wiegt. Oder Nadya aus der Eingangsszene. Sie ist Binge-Eaterin mit unkontrollierbaren Fressattacken. Auch sie bringt 136 Kilo auf die Waage. Sie will mithilfe eines Magenbypasses abnehmen; Simone versucht es mit einer Ernährungsumstellung und Sport.
Dick, dicker, am dicksten
Es ist eine Schlüsselszene der Dokumentation, weil sie entlarvend ist und einen der Hauptgründe für die Übergewichtsepidemie offenbart: Viele Menschen haben den Bezug zum Essen verloren. Sie wissen nicht, wie viele Kalorien, wie viel Fett oder Zucker in den Lebensmitteln stecken, die sie konsumieren. Und die Lebensmittelindustrie tut ihr übriges, um diese Informationen zu verschleiern. Nährwerttabellen werden im Kleingedruckten auf der Rückseite der Verpackungen versteckt. Ampelsysteme, die Lebensmittel in Kategorien einteilen, lehnen viele Lebensmittelriesen ab. Stattdessen bringt die mächtige Lebensmittellobby eigene, sehr umstrittene, weil irreführende Kennzeichnungen auf den Weg.
RTL nutzt die Steilvorlage am Frühstücksbuffet nicht. Leider. Denn Anknüpfpunkte hätte es reichlich gegeben:
– Fett- und zuckerreiche Lebensmittel werden oft als gesunde Lifestyle-Produkte vermarktet. Für Verbraucher ist das auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Der wahre „Gesundheitswert“ der Lebensmittel wird durch natürlich anmutende Verpackungen verschleiert. (Mehr dazu lesen Sie hier)
– Auch herzhafte Speisen können zugesetzten Zucker enthalten – zum Beispiel Ravioli aus der Dose oder Tiefkühlpizza. (Mehr dazu lesen Sie hier)
– Verbraucherschützer und Mediziner – darunter auch der TV-Arzt Eckart von Hirschhausen – fordern seit langem politische Maßnahmen gegen ungesunde Lebensmittel, etwa eine Zuckersteuer. Einige Experten fordern, ungesunde Lebensmittel höher zu besteuern und gleichzeitig Gemüse weniger zu besteuern. Doch bislang sträubt sich die Politik, entsprechende Maßnahmen auf den Weg zu bringen. (Mehr dazu lesen Sie hier)
„Es braucht politischen Mut“
Den zweiten erhellenden Moment liefert ein Besuch bei „Foodwatch“ in Berlin. „Wie viel Verantwortung hat die Lebensmittelindustrie?“, fragt Reporter Jenke. „Es wird uns sehr schwer gemacht, sich ausgewogen und gesund zu ernähren“, erklärt die Foodwatch-Expertin Luise Molling. Molling verweist auf Nährwertkennzeichnungen wie den Nutri-Score, der Lebensmittel nach Ampelfarben einteilt. Das System werde zwar von einigen Herstellern in Deutschland auf freiwilliger Basis angewandt – doch sei es nicht verpflichtend. In Ländern wie Belgien oder Frankreich werde der Nutri-Score dagegen flächendeckend eingesetzt.
Und dann sagt Molling etwas Entscheidendes: „Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen für die Gesundheit der Bevölkerung, wenn wir wirklich dieser Fettleibigkeitsepidemie und auch dieser Diabetesepidemie etwas entgegensetzen wollen, dann brauchen wir gesetzliche Bestimmungen und dann müssen wir eben auch gegen die Interessen der Konzerne handeln und nicht im Einklang mit diesen.“
Jenke bricht das Gespräch im Anschluss auf einen Kernsatz herunter: „Es braucht politischen Mut, damit sich Dinge ändern.“ Es ist die wohl wichtigste Erkenntnis der 100-minütigen Dokumentation. Und es ist höchste Zeit, dass sich etwas ändert.
Die Sendung zum Nachsehen gibt es hier.
15 Stück Würfelzucker in einer Packung „Ferrero Joghurt-Schnitte Heidelbeere & Cranberry“ – wie abgebildet
In dieser Schnitte stecken Joghurt und Beeren. Klingt erstmal gut. Wären da nicht noch süße Zutaten wie Zucker, Glukosesirup mit Fruktose, Traubenzucker, Magermilchjoghurtpulver, Birnensaftkonzentrat und Honig. Vorschlag von Öko-Test: eine Umbenennung in „Zucker-Fett-Creme-Schnitte“. Zucker und Fett machen bei der vermeintlich gesunden Joghurt-Beeren-Schnitte zusammen gut 53 Prozent aus.
100 Gramm des Produkts enthalten 31,5 Gramm Zucker. Die angegebene Anzahl der Zuckerwürfel beinhaltet auch natürliche Süße.
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