Morgens zwei Esslöffel Leinöl in den Quark und einen Esslöffel Butter in den Kaffee. Mittags „mindestens zwei bis drei“ Esslöffel extra natives Olivenöl über den Salat – und auch bei einer leichten Abendmahlzeit sollten Olivenöl, Butter oder Kokosfett nicht fehlen. „Gesund und fettbetont essen“, empfiehlt die aus dem Fernsehen bekannte Ärztin Anne Fleck in ihrem aktuellen Buch.
Gesund und gleichzeitig extrem fettig? Für Figur-Bewusste, die sparsam mit Öl und Butter umgehen, klingt das nach einem Widerspruch. Tatsächlich überschreiten Flecks Ratschläge schnell die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zur täglichen Zufuhr von Fetten und Ölen. Diese bilden in einer Orientierungshilfe der DGE den kleinsten Anteil aller Lebensmittelgruppen bei der Ernährung.
Das Beispiel ist eines von vielen, das zeigt, wie stark die Meinungen über gesunde Ernährung auseinandergehen. Über das ideale Verhältnis von Fetten und Kohlenhydraten in der Ernährung diskutiert die Fachwelt seit Monaten.
Auslöser war unter anderem eine Studie, die vor etwa anderthalb Jahren in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde. Sie brachte eine fettreiche Ernährung mit Vorteilen für die Gesundheit in Verbindung: Wer sich fettreich ernährte, lebte in der Untersuchung länger. Für manche war das Grund genug, bisherige Empfehlungen infrage zu stellen und den Ruf von Butter und Co. zu rehabilitieren. Experten der DGE bezeichneten die Aussagekraft der Studie jedoch wegen methodischer Mängel als stark eingeschränkt.
Nun schwärmt auch Ärztin Fleck auf mehr als 400 Seiten ihres Buches „Ran an das Fett“ von gesunden Fetten. Dabei gibt es zwar große Einschränkungen: Snacks aus der Fritteuse gehören freilich nicht dazu, selbst zwischen Pflanzenölen sieht Fleck enorme Unterschiede. Das generelle „Fettarm-Dogma“ stehe aber auf einer äußerst dünnen Datengrundlage, meint die Ärztin.
Fettreduktion allein: Auch kein Heilsbringer
Dass Fettreduktion allein kein Heilsbringer ist, zeigen auch Daten aus den USA. Obwohl der Fettanteil in der Nahrung der Amerikaner seit den Siebzigerjahren im Schnitt von 42 auf 34 Prozent gesunken ist, verbreiten sich Übergewicht und Diabetes in der Bevölkerung. Das berichteten Ernährungsforscher kürzlich im Fachblatt „Science“.
Bei dieser Entwicklung spielen jedoch auch weitere Dinge eine Rolle, die sich seit den Siebzigern verändert haben – Portionsgrößen etwa oder der Lebensstil. Wie genau das geringere Fett in der Ernährung sich auf das Übergewicht der US-Amerikaner ausgewirkt hat, lässt sich deshalb nicht wirklich beantworten.
Es ist das Dilemma aller Beobachtungsstudien, auf denen viele Erkenntnisse in der Ernährungswissenschaft beruhen. Sie können nur nachweisen, dass zwei Dinge möglicherweise miteinander zusammenhängen: Wer viel Gurken isst, kann laut Beobachtungen häufiger schlank sein. Das allein belegt jedoch noch nicht, dass tatsächlich Gurken schlank machen – und nicht zum Beispiel Gurkenesser auch die viel sportlicheren Menschen sind und mit der Bewegung ihre Pfunde verlieren.
Die Autoren der „Science“-Veröffentlichung kommen sogar zum Schluss, dass es keine allgemeingültigen Ernährungstipps gibt. Um den Einfluss von Nahrungsmitteln auf die Gesundheit zu bewerten, sei mehr nötig als ein Blick auf die Mengenverhältnisse von Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett, schreiben sie. Nicht jeder Stoffwechsel reagiere gleich auf Diäten und Kalorienquellen. Außerdem spielten neben den Genen auch Faktoren wie die Qualität der Lebensmittel oder ihre Kombination eine Rolle.
Und woran kann man sich dann orientieren?
Wichtiger als die Diskussion über die richtigen Anteile von Fett und Kohlenhydraten sei, darauf zu achten, dass man insgesamt nicht zu viel Energie zu sich nehme und Fette und Kohlenhydrate eine gute Qualität haben, sagt auch DGE-Referentin Silke Restemeyer.
Viele verzehren demnach zu wenig ballaststoffreiche Nahrungsmittel wie Vollkorn, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst – aber zu viele einfache Kohlenhydrate in Form zugesetzter Zucker (etwa in Fruchtjoghurt oder Limonaden) und raffinierter Stärke (etwa in Weißbrot, Kartoffelchips und Kuchen).
Versteckte Fette aus Produkten wie Wurst, Süßwaren, Fertigprodukten und Fast Food seien ebenfalls möglichst zu vermeiden, rät Restemeyer. Solche versteckten Fette bringen oft viel Energie mit sich aber vergleichsweise wenige Nährstoffe.
Die empfohlenen pflanzlichen Öle etwa aus Oliven, Nüssen oder Sonnenblumenkernen hingegen liefern lebensnotwendige Fettsäuren und Vitamin E. Sie haben zwar ebenfalls viele Kalorien, so Restemeyer. Wer sich insgesamt ausgewogen ernähre und viel bewege, müsse sich darum aber keine großen Gedanken machen.
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