Lügen: Tendenz zu Unehrlichkeit hängt vom Geschlecht und vom Alter ab
„Ehrlich währt am längsten“: Dieser Spruch bringt wohl am besten zum Ausdruck, wie wichtig Ehrlichkeit den meisten Menschen ist. Doch manchen Menschen fällt es schwerer als anderen, immer die Wahrheit zu sagen. In einer Studie konnte nun gezeigt werden, dass Männer häufiger lügen als Frauen.
Nicht alle nehmen es mit der Ehrlichkeit so genau
Ehrlichkeit spielt im sozialen und auch wirtschaftlichen Leben eine zentrale Rolle. Ohne sie werden Versprechen nicht eingehalten oder Verträge nicht erfüllt. In wissenschaftlichen Untersuchungen zeigte sich, dass es nicht alle Menschen in den verschiedenen Lebenslagen mit der Ehrlichkeit gleichermaßen ernst nehmen. So berichteten Wissenschaftler der Universitäten Regensburg und Hamburg vor Jahren über ein Experiment, bei dem festgestellt wurde, dass Frauen in Gruppen ehrlicher sind, während sich bei Männern in Gruppen das Lügen verstärkt. In einer neuen Studie zeigte sich nun, dass die Tendenz zu Unehrlichkeit beim sogenannten „starken Geschlecht“ ohnehin stärker ausgeprägt ist.
Persönliche Vorteile verschaffen
Von der Schummelei bei der Steuerklärung bis zu den großen Korruptionsskandalen – immer wieder lügen Menschen, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen.
In experimentellen Studien wird erforscht, welche Faktoren Menschen zu Lügnern machen.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Technion – Israel Institute of Technology haben nun eine umfangreiche Metaanalyse zum Lügen durchgeführt und dafür die Erkenntnisse aus 565 Studien zusammenfasst.
Laut einer Mitteilung des Instituts zeigen die Ergebnisse unter anderem, dass die Tendenz zu Unehrlichkeit von Alter und Geschlecht abhängt.
Die Studie wurde vor kurzem in der Fachzeitschrift „Psychological Bulletin“ veröffentlicht.
Persönliche Faktoren und Umweltfaktoren spielen eine Rolle
Der Grundkonflikt jeder Lüge ist die Wahl, die man hat. Entweder ist man ehrlich und verzichtet auf Vorteile oder man lügt, um zum Beispiel an mehr Geld, Macht oder Ruhm zu gelangen.
Warum Menschen lügen, hängt von persönlichen Faktoren und Umweltfaktoren ab. Um diese empirisch zu untersuchen, wurde in vielen publizierten Studien dieser Grundkonflikt in einfachen Experimenten nachgestellt, etwa in Form des Münzwurf-Spiels.
Dabei werfen Probanden eine Münze, ohne dass sie jemand dabei beobachtet. Das Ergebnis geben sie beispielsweise per Computer an die Versuchsleiter durch. Bei Kopf bekommen sie Geld, bei Zahl gehen sie leer aus.
Wenn dieser Versuch öfter und mit vielen Probanden durchgeführt wird, müsste das Verhältnis von Kopf zu Zahl insgesamt fünfzig zu fünfzig betragen.
Doch zeigen fast alle Studien, dass die Teilnehmer öfter Kopf als Zahl nennen. Das heißt: Mindestens einige Probanden lügen, um mehr Geld zu „verdienen“.
Daten von 565 Studien analysiert
In den letzten zehn Jahren haben Forscher zahlreiche Studien mit diesem oder ähnlichem Grundaufbau durchgeführt, um die verschiedenen Faktoren zu untersuchen, die zu Unehrlichkeit führen.
Lügen Nonnen häufiger als Gefängnisinsassen? Lügt man eher online oder am Telefon? Lügt man eher, wenn man mehr Geld erwartet?
Für die aktuelle Metaanalyse haben die Wissenschaftler aus Deutschland und Israel die Daten von 565 Studien mit insgesamt 44.050 Probanden berücksichtigt.
„Obwohl es zahlreiche Studien gibt, die untersuchen, wer, wann und warum lügt, sind die Ergebnisse nicht eindeutig, teilweise sogar widersprüchlich“, erklärt Philipp Gerlach, Assoziierter Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
„Mithilfe der großen Datenmenge aus allen Studien können wir nun zu einigen Faktoren eindeutigere Aussagen treffen“, so der Erstautor der Studie.
Jüngere Personen lügen häufiger
Bei den untersuchten Experimenten haben insgesamt 42 Prozent aller Männer und 38 Prozent aller Frauen gelogen.
Die Vermutung, dass Männer häufiger lügen als Frauen, konnte damit bestätigt werden – auch wenn der Unterschied nur gering ist.
Außerdem wurde festgestellt, dass jüngere Personen häufiger gelogen haben als ältere. Den Angaben zufolge sank die Wahrscheinlichkeit, dass jemand lügt, mit jedem Jahr um 0,28 Prozentpunkte.
Während sie bei einem 20-Jährigen bei etwa 47 Prozent liegt, liegt sie bei einem 60-Jährigen nur noch bei 36 Prozent.
Andere, immer wieder diskutierte Faktoren konnte die Studie jedoch nicht bestätigen. So fanden die Wissenschaftler zum Beispiel keinen Hinweis darauf, dass Wirtschaftsstudierende besonders häufig lügen.
Strukturelle Unterschiede im Versuchsaufbau beeinflussten Probanden
Den Angaben zufolge wurden für die Metaanalyse publizierte sowie noch nicht veröffentlichte Studien aus der Psychologie als auch aus den Wirtschaftswissenschaften herangezogen.
Diese Arbeiten untersuchten das Ausmaß von Unehrlichkeit mit Hilfe von wenigen, aber sehr unterschiedlichen experimentellen Anordnungen. In einigen bezog sich Unehrlichkeit auf ein Zufallsergebnis, wie etwa bei dem Münzwurf-Spiel.
In anderen bezog sich Unehrlichkeit auf das Ausmaß der eigenen Fertigkeiten, zum Beispiel ob ein mathematisches Rätsel richtig gelöst wurde.
Die Forscher konnten zeigen, dass solche strukturellen Unterschiede im Versuchsaufbau das Verhalten der Probanden beeinflussen und somit zu unterschiedlichen Ergebnissen über das Ausmaß der Unehrlichkeit führen.
„Möchte man wissen, in welchem Ausmaß Menschen geneigt sind, sich unehrlich zu verhalten, muss man unbedingt berücksichtigen, mit welchen experimentellen Situationen und Versuchungen man Menschen konfrontiert“, sagt Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs „Adaptive Rationalität“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
„Dies deutet daraufhin, dass Unehrlichkeit nicht einfach nur die Eigenschaft einer Person ist, sondern systematisch mit den Bedingungen der Umwelt zusammenspielt “, so der Experte. (ad)
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