Die EU-Kommission fordert von Deutschland, die Preisbindung für EU-Versender im Arzneimittelgesetz zu streichen – und die Bundesregierung hat ihr jetzt mitgeteilt, dass dies im Referententwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz vorgesehen ist. Daraus kann aber keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass es nun keinen Weg zurück gibt, wie in anderen Medien zu lesen ist. Das betont der Apothekenrechtsexperte Professor Dr. Hilko J. Meyer in einem Gastkommentar für DAZ.online.
Die Bundesregierung hat EndeApril auf die mit Gründen versehene Stellungnahme der Europäischen Kommissionzur Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel geantwortet und aufden Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apothekenverwiesen, in dem die Streichung des § 78 Absatz 1 Satz 4 AMG enthalten ist.Daraus wird in den Medien der Schluss gezogen, dass diese Vorankündigung „kaumeinen Weg zurück zulässt“.
Das ist Unsinn. Diefrühzeitige Absichtserklärung der Bundesregierung und der Hinweis auf denZeitplan des laufenden Gesetzgebungsverfahrens entsprechen dem diplomatischen Umgangzwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission. Bemerkenswertsind an diesem Vorgang allein die Tatsache und der Zeitpunkt des Bekanntwerdenseiner internen Leitungsvorlage des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Sie magdie derzeitige Absicht der Bundesregierung richtig wiedergeben – auch wenn derGesetzentwurf nach eigenen Angaben erst im Juni vom Kabinett beschlossen werdensoll.
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Kommentar
Jetzt erst recht!
Doch der Gesetzgeber ist ineiner parlamentarischen Demokratie nicht die Regierung, sondern das Parlament.Das weiß auch die EU-Kommission, die in solchen Fällen üblicherweise denendgültigen Gesetzesbeschluss abwartet. Der Deutsche Bundestag ist daher imweiteren Gesetzgebungsverfahren weder an die Absichtserklärungen derBundesregierung, noch an die übergriffige Auslegung des Unionsrechts durch dieKommission gebunden. Die einzige maßgebliche Instanz für die Auslegung desUnionsrechts ist der Europäische Gerichtshof (EuGH). Dieser hat sein Urteil vom19. Oktober 2016 allein darauf gestützt, dass die Bundesregierung keine ausreichenden Nachweise für dieGeeignetheit der Preisbindung als Instrument für die die Qualität undFlächendeckung der Arzneimittelversorgung geliefert hat. Der Bundesgerichtshofhat deshalb die unzureichende Vorbereitung der Vorabentscheidung durch das Oberlandesgericht(OLG) Düsseldorf kritisiert und den Weg zu einer erneuten Vorlage zum EuGHaufgezeigt, wenn zuvor die Bundesregierung in einer amtlichen Stellungnahmediese Nachweise nachgeliefert hat. Das OLG München hat die Bundesrepublik bereits am 22. Februar 2018 um amtliche Auskunft zu der Frage ersucht, „ob und ggfls. welche tatsächlichen Umständedie Annahme rechtfertigen, die nationalen Regelungen desArzneimittelpreisrechts, wonach für verschreibungspflichtige Arzneimitteleinheitliche Apothekenabgabepreise festzusetzen sind, seien zur Gewährleistungeiner flächendeckenden, sicheren und qualitativ hochwertigenArzneimittelversorgung der Bevölkerung erforderlich.“
Kein Bewusstsein im BMG?
Dass die Bundesregierungauf diese Anfrage eines deutschen Gerichts bis heute nicht geantwortet hat, istein Skandal und droht Fakten zu schaffen, die eine weitere Einschränkung derverbrieften Zuständigkeit des deutschen Gesetzgebers für das deutscheGesundheits- und Sozialsystem zementieren. Besteht im zuständigen Ministerium dennwirklich kein Bewusstsein davon, dass § 78 AMG und die darauf beruhendeArzneimittelpreisverordnung untrennbar mit dem ordnungspolitischen Rahmen desdeutschen Arzneimittelmarktes und den sozialrechtlichen Regelungen derArzneimittelversorgung verknüpft sind? Erschließt es sich im BMG wirklichniemandem, welche weitreichenden Auswirkungen die einseitige Preisgabe dernationalen Zuständigkeit für die Preis- und Erstattungssysteme auf wesentlicheStrukturmerkmale des deutschen Arzneiversorgungssystems haben wird, wie die flächendeckendeVersorgung durch unabhängige Apotheken, die Nutzenbewertung undErstattungsbeträge für neue Arzneimittel nach dem AMNOG-Verfahren und dieFestbeträge für Generika und therapeutisch vergleichbare Arzneimittel?
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