Seit einer Sicherheitsüberprüfung im Jahr 2019 wird in der Fachinformation von Letrozol in der EU auf das Risiko von Tendonitis und Sehnenrisse hingewiesen. Es liegt nahe, sich zu fragen, ob dieses Risiko auch bei anderen Aromatasehemmern besteht. Ergebnisse einer Sicherheitsüberprüfung der kanadischen Arzneimittelbehörde deuten darauf hin.
Im Jahr 2019 wurden in Deutschland auf Empfehlung des Pharmakovigilanzausschusses PRAC die Produktinformationen von Letrozol geändert. Neu aufgenommen wurden die gelegentliche Nebenwirkung der Tendonitis und die seltene unerwünschte Arzneimittelwirkung Sehnenriss. Somit heißt es mittlerweile in den Fachinformationen zu Letrozol, dass – wenn Anzeichen für Sehnen-Schmerzen oder Sehnen-Schwellungen auftreten – Patient:innen engmaschig überwacht werden und geeignete Maßnahmen für die betroffene Sehne eingeleitet werden müssen (z.B. Immobilisierung).
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Begründet wurde dies 2019 damit, dass zuvor nur Sehnenentzündungen an den Fingern in den Fachinformationen aufgeführt waren, mittlerweile aber auch Fälle an Schulter, Achillessehne, Ellenbogen und anderen Stelle bekannt seien. Klinische Studien ließen einen kausalen Zusammenhang vermuten – zudem stand die Frage nach einem Klasseneffekt der Aromatasehemmer im Raum [1,2]. Neben Letrozol kommen weitere Aromatasehemmer wie Anastrozol und Exemestan bei Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs als antihormonelle Therapie bei postmenopausalen Frauen zum Einsatz. Hinweise auf Tendonitis und Sehnenrisse finden sich jedoch in den Fachinformationen von Anastrozol und Exemestan nicht [3,4].
Ein Sicherheitsbericht der kanadischen Arzneimittelbehörde von Anfang dieses Jahres legt nun nahe, dass die genannten Nebenwirkungen bei allen drei Arzneimitteln bedacht werden sollten.
Zusammenhang mit Sehnenentzündungen wahrscheinlich
Tatsächlich war der Auslöser für die kanadische Sicherheitsüberprüfung die Aktualisierung der europäischen Sicherheitsinformationen für Letrozol im Jahr 2019. In Kanada kam man nun zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen der Anwendung von Aromatasehemmern der dritten Generation und dem Risiko für Sehnenentzündungen wahrscheinlich ist. Ein Zusammenhang mit Sehnenrissen könne nicht ausgeschlossen werden – die Produktinformationen der Aromatasehemmer sollten entsprechend angepasst werden, hieß es Anfang des Jahres. Die kanadische Arzneimittelbehörde stützt sich in ihrer Aussage unter anderem auf fünf randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 28.873 Patient:innen [5].
Wie einem Bericht des „Arznei-Telegramm“ vom Juni zu entnehmen ist, sieht die europäische Arzneimittelbehörde EMA jedoch „derzeit für die national zugelassenen Aromatasehemmer kein Signal für Sehnenschäden“. Das „Arznei-Telegramm“ beruft sich dabei auf ein Schreiben der EMA vom 2. Juni 2023 [6]. Beispielsweise die Arzneimittelbehörde von Malaysia hat im August 2023 hingegen die kanadischen Sicherheitshinweise aufgegriffen und an die Gesundheitsberufe im Land kommuniziert [7].
Tendinitis und Sehnenruptur können schwere Nebenwirkungen sein
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Verordnungen über Ciprofloxacin und Co.
Wann Fluorchinolone und wann nicht?
Bekannter dürfte das Risiko der Sehnenruptur und Sehnenentzündung in einer ganz anderen Arzneimittelklasse sein – den Fluorchinolonen. Auch dort ist die Nebenwirkung aber selten. Beispielsweise für das Antibiotikum Ciprofloxacin wird die Nebenwirkung Sehnenruptur in der Fachinformation mit der Häufigkeit „sehr selten“ angegeben. „Tendinitis und Sehnenruptur (insbesondere, aber nicht beschränkt auf die Achillessehne), manchmal beidseitig, können bereits während der ersten 48 Stunden nach Behandlungsbeginn mit Chinolonen und Fluorchinolonen auftreten, wobei ein Auftreten auch noch mehrere Monate nach Absetzen der Behandlung berichtet wurde“, heißt es dort beispielsweise [8].
In der Gesamtschau erscheint es vernünftig, Aromatase-Hemmer-Patient:innen ernst zu nehmen, wenn diese von Sehnen-Schmerzen als Nebenwirkung berichten.
Literatur
[1] Position of the Co-ordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures for human use on Periodic Safety Update Reports for Letrozole. 27.Juni 2019, www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/PSUSAS/g-l/letrozol_beschluss_cmdh_Anl3b.pdf?__blob=publicationFile
[2] Fachinformation zu Letrozol-ratiopharm 2,5 mg Filmtabletten, Stand: August 2019, www.fachinfo.de/
[3] Fachinformation zu Anastrozol-ratiopharm 1 mg Filmtabletten, Stand: April 2021, www.fachinfo.de/
[4] Fachinformation zu Exemestan-ratiopharm 25 mg Filmtabletten, Stand: Juni 2020, www.fachinfo.de/
[5] Information on drugs and health products authorized by Health Canada. Summary Safety Review – Third Generation Aromatase Inhibitors (anastrozole, exemestane, letrozole) – Assessing the Potential Risk of Tendon Disorders. 17.01.2023, dhpp.hpfb-dgpsa.ca/review-documents/resource/SSR00289
[6] Redaktion arznei-telegramm. Sehnenschäden in Verbindung mit Aromatasehemmern. a-t 2023;54:48, www.arznei-telegramm.de/html/2023_06/2306048_01.html
[7] National Pharmaceutical Regulatory Agency (NPRA) Ministry of Health Malaysia. Third-Generation Aromatase Inhibitors (Anastrozole; Exemestane; Letrozole): Tendon Disorders. 02. August. 2023, www.npra.gov.my/index.php/en/component/content/article/449-english/safety-alerts-main/safety-alerts-2023/1527509-third-generation-aromatase-inhibitors-anastrozole-exemestane-letrozole-tendon-disorders.html?Itemid=1391
[8] Fachinformation zu Ciprofloxacin-ratiopharm Filmtabletten, Stand: September 2022, www.fachinfo.de/
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