Wenn aus einem Schnaps zwölf werden, dann kann der Abend eventuell noch lustig sein, am nächsten Tag aber wartet beim Aufwachen mit großer Wahrscheinlichkeit der Kater um Hallo zu sagen. Gern hat er Kopfschmerzen und Übelkeit im Schlepptau. Die körperlichen Auswirkungen nach übermäßigem Alkoholkonsum kennt man auch als Hangover. Spricht man von Hangxiety, stehen hingegen die psychischen Symptome, die nach einer durchzechten Nacht auftreten, im Vordergrund. Der Begriff Hangxiety ist ein sprachlicher Wolpertinger, zusammengesetzt aus den Wörtern Hangover (Kater) und Anxiety (Angst, Sorge, Überforderung). Was steckt hinter dem Katertief nach dem Suff?
Was sind die Symptome von Hangxiety?
Hangxiety tritt typischerweise beim Ausnüchtern auf. Die Symptome ähneln denen eines klassischen Katers. Dazu gehören neben Kopfschmerzen und Übelkeit, unter anderem Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schwindel, Zittern. Obendrauf kommen mentale Auswirkungen. Betroffene fühlen sich dann mitunter überfordert, haben Ängste und eine innere Unruhe. Ebenfalls ist es möglich, dass sie sich am Folgetag für ihr alkoholgeschwängertes Verhalten schämen und fürchten, anderen vor den Kopf gestoßen zu haben. Die Gedanken kreisen sodann um all das, was möglicherweise passiert sein könnte. Wird dann neuerdings zum Alkohol gegriffen, kann sich ein Teufelskreis entwickeln.
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Was löst Hangxiety aus?
Vom ersten Schluck über die Blutbahn bis zum Gehirn, wo der Rausch entsteht, benötigt der Alkohol zwischen drei und fünf Minuten. Dort wirkt er besonders auf Botenstoffe, die ein dämpfendes, beruhigendes und angstlösendes Profil haben wie allen voran Gamma-Aminobuttersäure (Gaba). In Folge kommt es zu einer Hemmung der neuronalen Aktivität, die Kommunikation unter den Zellen verlangsamt sich. Zudem wird der stimulierende Botenstoff Glutamat blockiert. Stattdessen werden vermehrt Hormone wie Adrenalin, Serotonin und Cortisol ausgeschüttet.
Der Körper reagiert darauf und versucht zu regulieren, auch dann noch, wenn der Alkohol im Körper bereits abgebaut wird. Dieser "Gegenregulationsefekt" führe dazu, dass so etwas entstehe wie "Unruhe, Angespanntheit, Nervosität. Manche erleben das auch als Ängstlichkeit", so der Präsident der deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie Falk Kiefer gegenüber "Deutschlandfunk".
Wer bekommt Hangxiety?
Alkohol gilt auch als soziales Schmiermittel. Er kann enthemmend wirken, lockerer machen. Aber gerade bei Menschen, die den Alkohol als eine Art Krücke nutzen, um ihre Schüchternheit zu überwinden, kann der Konsum zum Bumerang werden. So haben Forschende der Universität Exeter herausgefunden, dass introvertierte Menschen anfälliger für Hangxiety sind als extrovertierte.
"Wir wissen, dass viele Menschen Alkohol trinken, um ihre Ängste in sozialen Situationen zu mildern. Aber diese Untersuchung zeigt, dass dies Auswirkungen am nächsten Tag haben könnte, da schüchterne Menschen diesen manchmal schwächenden Aspekt eines Katers eher erleben", so Celia Morgan, Professorin an der Universität Exeter. Insgesamt haben laut einer Studie bis zu zwölf Prozent der Betroffenen während eines Katers auch Ängste.
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Was hilft gegen Hangxiety?
Alkohol wird nach und nach abgebaut. Das dauert. Beschleunigen kann man diesen Prozess nicht. Ein probates Hilfsmittel beim Ausnüchtern ist und bleibt Wasser. Das wirkt wenigstens gegen die Dehydration, welche Alkohol im gesamten Körper – auch im Gehirn – verursacht. Daher kommen meist die Kater-Kopfschmerzen. Ansonsten bleibt kaum mehr als das Abwarten, bis der Jammer ein Ende hat.
Hat Hangxiety auch eine positive Seite?
Ein Kater entsteht, wenn über das Limit getrunken wurde. Geht es uns elendig, ist das ein Beleg dafür, dass zu viel Gift im Körper ist. Die Angst oder Sorge, die mit dem Hangxiety kommt, kann also auch als körpereigenes Warnsystem verstanden werden. Sie führt möglicherweise dazu, dass Betroffene ihren Alkoholkonsum reflektieren und zumindest kurzzeitig zu Vorsätzen kommen wie "Nie wieder Alkohol!".
Quellen: IQWiG, Deutschlandfunk, Spektrum, University of Exeter, The Telegraph, New York Times, NIH
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