Technologie – Mikrobläschen in Diskusform für den Arzneimitteltransport

Erstmals haben Forscher der RWTH Aachen in einem internationalen Team Mikrobläschen erzeugen können, die nicht-sphärisch sind. Die Diskus- oder Stäbchenform soll zukünftig Vorteile bei Ultraschalluntersuchungen und dem gezielten Transport von Wirkstoffen zu einem bestimmten Wirkort im Körper bieten.

Wenn man aus Tensiden, Kunststoffen oder auch Lipiden Bläschen bildet, nehmen diese in der Regel perfekte sphärische, isotrope (also in alle Richtungen gleiche) Formen an. Seifenblasen sind dazu das anschauliche Beispiel im makroskopischen Bereich. Und unter normalen Bedingungen gilt das auch für kleinste Bläschen. Aus verschiedenen Materialien lassen sich so etwa auch medizinisch einsetzbare sogenannte Mikrobläschen erzeugen. Anwendung finden diese heute bereits, etwa als Kontrastmittel bei Ultraschalluntersuchungen. Erforscht werden sie allerdings auch für den gezielten Transport von Wirkstoffen an einen Wirkort, wobei die Bläschen dann entweder durch Oberflächenmarker oder aber ebenfalls per Ultraschall gesteuert werden sollen.

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Die perfekte runde Form hat dabei allerdings ihre Nachteile. Die Bläschen stoßen etwa im Blut häufig mit den Erythrozyten zusammen, kommen zum Teil nur langsam voran und werden daher oft durch Immunzellen als fremd erkannt und phagozytiert. Außerdem kommen die runden Bläschen noch eher schwierig durch die Blut-Hirn-Schranke – obwohl gerade das einer der erforschten Anwendungsbereiche der Mikrobläschen ist.

Forscher der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen haben nun gemeinsam mit Wissenschaftlern der Harvard University in Boston (USA) sowie dem dortigen Massachusetts General Hospital, dem Italian Institute of Technology in Genua und dem DWI–Leibniz-Institut für Interaktive Materialien in Aachen einen Weg gefunden, erstmals stabile Mikrobläschen zu erzeugen, die nicht in alle Richtungen gleich, also anisotrop sind. Genau genommen haben die Bläschen eine Diskus- oder auch Stäbchenform. Ihre Arbeit veröffentlichten die Forscher jetzt im Fachmagazin PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America).

Anisotrope Bläschen bewegen sich näher an den Gefäßwänden

„Einer der besonderen Vorteile der nicht-sphärischen Mikrobläschen ist etwa, dass sie besser in der Lage sind, sich im Blutstrom nah an Gefäßwände zu begeben. Dieser Prozess heißt Margination und trägt dazu bei, dass die Mikrobläschen unter Ultraschallbestrahlung die Gefäße öffnen können für einen verbesserten Wirkstofftransport. Wir haben das unter anderem für den Transport eines Modellwirkstoffs ins Gehirn darstellen können“, sagt Professor Twan Lammers vom Institut für Experimentelle Molekulare Bildgebung der RWTH Aachen, zusammen mit Anshuman Dasgupta Leiter der Forschungsgruppe. Die Bläschen können so unter anderem auch mit den Endothelzellen der Gefäßwände interagieren.

Die Forscher nutzten Poly(butyl)cyanoacrylate, PBCA, für die Erzeugung ihrer Mikrobläschen. Dieses Polymer wird medizinisch oft genutzt, ist gut untersucht und etabliert und findet etwa Verwendung als „chirurgischer Superkleber“ bei Wundverschlüssen. Es ist biologisch abbaubar und biokompatibel. Anders als Mikrobläschen auf Lipidbasis, die zwar noch biokompatibler sind und bessere Ultraschallechos geben, seien diese leichter manipulierbar in ihrer Form, schreiben die Forscher.

Um die Stäbchen- beziehungsweise Diskusform zu erreichen, nutzten sie die sogenannte Filmstretching-Methode, mit der auch anisotrope Polymer-Nanopartikel hergestellt werden. Dabei entstehen die ansiotropen Bläschen, indem sphärische PBCA-Mikrobläschen in einen Polyvinylalkohol(PVA)-Film eingebettet werden, gefolgt vom Erhitzen des getrockneten Films über die sogenannte Glas-Übergangstemperatur von PBCA und anschließender mechanischer Dehnung der Folie in eine Richtung. Nach dem Wiedererstarren werden die Bläschen aus dem Film herausgelöst.

Nicht-sphärische Bläschen sind in ihren Eigenschaften den sphärischen überlegen

Die Eigenschaften der flachen Bläschen untersuchten die Wissenschaftler dann mit verschiedenen Methoden und kamen zu dem Schluss, dass diese gegenüber den Sphären, wie von den Forschern zuvor angenommen, viele Vorteile aufweisen. Neben der besseren Margination zeigen sie eine längere Zirkulationszeit im Blut nach intravenöser Verabreichung und sind effektiver darin, die Blut-Hirn-Schranke für die lokale Anreicherung von Arzneimitteln unter fokussiertem Ultraschall zu öffnen.

Sie stoßen außerdem, so die Forscher, seltener mit den Erythrozyten zusammen und werden tatsächlich weniger oft phagozytiert als die sphärischen üblichen Mikrobläschen. „Konkret tragen unsere jetzigen Befunde in Zukunft gegebenenfalls dazu bei, den Prozess der Blut-Hirn-Schranken-Öffnung weiter zu verfeinern, das heißt, die Balance zwischen Effektivität und Nebenwirkungen wie kleinen Blutungen oder Entzündungen zu verbessern“, sagt Lammers. Der gerichtete Transport von Wirkstoffen in Mikrobläschen, mit Ultraschall an sich, sei bereits in der Vergangenheit ausführlich getestet worden. „In den vergangenen Jahren wurden mehrere Studien in Patienten mit Hirntumoren durchgeführt, bei Jugendlichen und sogar auch bei Kindern mit DIPG (Diffuses intrinsisches Ponsgliom, ein Tumor des Hirnstamms)“, sagt Lammers.

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„Als Nächstes werden wir die Mikrobläschen oberflächenmodifizieren, mit Antikörpern, die dafür sorgen, dass die Bläschen an die Endothelzellen im Gehirn binden“, sagt Lammers über die nächsten Schritte der Forscher. Dadurch könne der Prozess der Blut-Hirn-Schranken-Öffnung noch weiter optimiert werden. „Die Studien sind schon finanziert und die Daten sind sehr vielversprechend“, sagt er. So liege in der jetzigen Studie der Faktor für die Verbesserung des Transports ins Gehirn von nicht-sphärischen gegenüber den sphärischen bei 2. „Für antikörpergerichtete nicht-sphärische Mikrobläschen ist der Transport sogar um den Faktor 4 bis 5 besser“, sagt Lammers.


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