Ist die Corona-Pandemie von Marderhunden ausgegangen? Ein Report wollte das gezeigt haben. Chinesische Forscher hatten Informationen geheim gehalten. Die WHO-Epidemiologin Maria Van Kerkhove berichtet nun: Die viel diskutierten Daten aus China sind wieder öffentlich zu sehen.
„Update: Sars-CoV-2-Daten des China CDC bezüglich der Proben, die auf dem Huanan-Markt in Wuhan, China, gesammelt wurden, sind wieder auf @GISAID verfügbar“, schreibt die Epidemiologin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Maria Van Kerkhove auf Twitter.
Es findet sich nun auch ein aktualisierter Preprint (der noch nicht von unabhängigen Fachleuten begutachtet ist) der chinesischen Forscher. Diese Nachricht befeuert die Diskussion um den Ursprung des Coronavirus auf ein Neues.
Denn die fraglichen Daten sind Gegenstand eines kürzlich veröffentlichten Reports. Sie stammen aus schon zu Beginn der Pandemie gesammelten Proben des Markts in Wuhan. Lange blieben sie der Wissenschaft wie der Öffentlichkeit verborgen. Tauchten auf, wurden gelöscht, sind nun wieder zu sehen. Eine Spur zum Ursprung von Sars-CoV-2 mit vielen Rätseln.
Zum Hintergrund des Ursprungsreports
Die auf Evolutionsbiologie spezialisierte Wissenschaftlerin Florence Débarre arbeitet am französischen Nationalzentrum für wissenschaftliche Forschung. Sie grub die Daten aus, die aus genetischen Sequenzen bestehen, die chinesische Forscher in GISAID, einer Virologie-Datenbank, veröffentlicht hatten. Das chinesische Team hatte Proben vom Lebensmittelmarkt gesammelt, die mit frühen Covid-19-Fällen in Verbindung standen. Nachdem Débarre die Sequenzen entdeckt hatte, hat GISAID sie zwischenzeitlich entfernt. Mit dem Hinweis: Dies geschah auf Wunsch des Einsenders, also der chinesischen Forscher.
Dabei sind das möglicherweise endlich entscheidende Daten. Die neue Analyse der genetischen Sequenzen, die vom Markt gesammelt wurden, zeigt – laut Aussagen der Wissenschaftler: Marderhunde, die illegal am Markt verkauft wurden, könnten das Virus Ende 2019 übertragen und möglicherweise ausgeschieden haben.
„Dies stärkt tatsächlich die Argumente für einen natürlichen Ursprung“, fasste Seema Lakdawala aktuelle Erkenntnisse aus China in „The Atlantic“ zusammen. Die Professorin für Mikrobiologie und Immunologie der Emory University in Atlanta war selbst nicht an der Untersuchung beteiligt.
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Kekulé kritisiert: Die Daten belegen gar nichts
Der Report beweise gar nichts über den Ursprung von Sars-CoV-2, kritisiert dagegen der Top-Virologe Alexander Kekulé im „Corona-Kompass“-Podcast beim MDR. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei äußerst fragwürdig. Gerade in den USA waren die Diskussionen um die sogenannte „Lab Leak“-These, also dass Corona aus einem Labor „entkommen“ ist, wieder hochgekocht.
„Das Einzige, was für mich noch für ein Lab Leak spricht, ist der Ort: Wuhan. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse dagegen deuten klar in Richtung eines natürlichen Ursprungs“, sagt die Wissenschaftlerin Débarre im Interview mit dem „Spiegel“.
Aus Kekulés Sicht werden die Analysen völlig überbewertet. „The Atlantic“ sei eine sehr renommierte Zeitschrift, die auch im Zusammenhang mit Sars-Cov-2 in der Vergangenheit hervorragende Analysen gemacht habe. Sie publizierten als erste unter der Überschrift „Das sei jetzt der stärkste Beweis dafür, dass es auf diesem Markt von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist“. Für Kekulé völlig unverständlich: „Das kann ich überhaupt nicht unterschreiben.“ Dass der Markt der Ort gewesen sei, an dem Sars-CoV-2 auf den Menschen übergesprungen sei, dafür liefere die viel diskutierte Analyse keinen Nachweis.
„Ich würde wahnsinnig gerne sagen: Voilà, es ist der Marderhund“, resümiert der Experte. Es sei schließlich seine „Lieblings-Hypothese, dass es von einem Pelztier aus der Zucht stammt und da könnte ein Marderhund infrage kommen“. Aber: „Ehrlich gesagt ist damit überhaupt nichts belegt.“
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Vielmehr spekuliert Kekulé über das dahintersteckende Kalkül Chinas: Vielleicht haben sie das nur hochgeladen, um die Diskussion anzuschmeißen? Es rieche für ihn „irgendwie so ein bisschen nach gelegter Fährte“. „Ich sag mal was anderes, es sagt ja eigentlich Folgendes: China hat diese Daten die ganze Zeit gehabt – in Klammern verdammt nochmal – und nicht rausgerückt“, echauffiert sich der Virologe. Und das, obwohl nach einer Publikation 2022, die ebenfalls solch frühe Daten der Pandemie untersuchte hatte, alle mehr Informationen gefordert hätten. „Und für mich belegt das einfach – ich muss es so brutal sagen – dass China lügt.“
Veröffentlichung der chinesischen Forscher könnte Rätsel lösen
Die Frage um den Ursprung des Coronavirus ist nicht nur eine wissenschaftliche, sondern seit Beginn eine politische. Gerade im Spannungsfeld zwischen China und den USA.
Die Forschungsgruppe war im Austausch mit Chinas Center for Disease Control and Prevention (CDC). Sie forderten, dass die genetischen Sequenzen öffentlich gemacht werden. Das zumindest ist nun geschehen. Die Spurensuche geht weiter. Und die Welt wartet auf die bei der Fachzeitschrift „Nature“ eingereichte Veröffentlichung der chinesischen Wissenschaftler. Die Französin Débarre jedenfalls hofft, dass das Rätsel um den Ursprung von Sars-CoV-2 am Ende doch noch gelöst werden wird.
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