Warum sollten sich Apotheken am Angebot von Gesundheitskiosken beteiligen? Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) sieht darin auch eine soziale Verantwortung und macht Vorschläge, wie eine Kooperation aussehen könnte. Er fordert die ABDA auf, ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Modell zu überdenken.
Rund 1.000 neue Gesundheitskioske sollen auf Wunsch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) deutschlandweit entstehen. Die ABDA lehnt das Konzept bisher ab: Sie sieht darin eine „überflüssige Parallelstruktur“, in der Geld verbrannt werde. Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) hingegen spricht sich für eine Beteiligung der Apotheken an Gesundheitskiosken aus.
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In zwei Leserbriefen an die DAZ hatte der VdPP die Position der ABDA kritisiert. Sozial Benachteiligte in bestimmten Stadtvierteln und auf dem Land müssten bei der Gesundheitsversorgung besser erreicht werden. Die pauschale Ablehnung der Kioske sei „kein hilfreicher Beitrag der Apothekerschaft“ zu diesem „drängenden Problem“, schreibt der VdPP, der sich für soziale Verantwortung in der Medizin einsetzt. Auch die Ärzteschaft habe sich anfänglich ablehnend gegenüber den Kiosken geäußert. Doch diese Ablehnung sei inzwischen zu einer differenzierteren Position weiterentwickelt worden. Es werde „Zeit, dass sich auch die Apothekerschaft bewegt“, so der VdPP gegenüber der DAZ.
Netzwerk ohne Apotheken wäre „ein Versäumnis“
Auf Nachfrage erklärt der Verein, warum er selbst für eine Beteiligung der Apotheken an den Gesundheitskiosken ist und wie er sich diese vorstellt. Die Gesundheitskioske seien als eine zentrale Anlaufstelle für Fragen zum Gesundheits- und Sozialsystem geplant: „Apotheken sind die zentrale Stelle der Arzneimittelversorgung. Sie im Netzwerk eines Gesundheitskioskes nicht aufzunehmen, wäre ein Versäumnis. Denn damit würden die pharmazeutischen Kompetenzen nicht genutzt, die in der Regel dort zur Verfügung stehen“, sagte VdPP-Referentin Esther Luhmann gegenüber der DAZ. „Gebraucht werden Apothekerinnen und Apotheker vor Ort und Kammervorstände, die bei der Entwicklung und beim Aufbau der Gesundheitskioske mithelfen und ihre pharmazeutische Kompetenz einbringen.“ Fragen rund um die Probleme, die viele Menschen bei der Anwendung von Arzneimitteln hätten, müssten auch in den Gesundheitskiosken „wahrgenommen werden können und patientenorientiert geklärt werden“, betont Luhmann.
Der VdPP sieht drei Möglichkeiten, wie sich die Apotheken vor Ort bei den Gesundheitskiosken einbringen könnten. Zum einen bräuchten die Mitarbeitenden der Kioske Hinweise, welche Probleme Arzneimittel bereiten können, wenn sie nicht richtig angewendet werden oder wenn unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten. So könnten zum Beispiel Schwindel, Stürze, Magen-Darm-Beschwerden oder Husten durch Arzneimittel verursacht werden. „Das sollten Mitarbeitende in Gesundheitskiosken im Blick haben, um Nachfragende, falls nötig an die Apotheke oder den Arzt zu lotsen. Dafür brauchen sie aber Schulungen durch kompetentes Personal, das in Apotheken vorhanden sein sollte“, sagt Luhmann.
Pharmazeutische Kompetenz nötig
Zweitens: Je mehr Arzneimittel eingenommen werden, desto mehr pharmazeutische Kompetenz werde in der Regel gebraucht, um die Anwenderinnen und Anwender von Arzneimitteln zu unterstützen. Zwar könnten viele aufgeworfenen Fragen auch beim Arzt oder der Ärztin geklärt werden. „Aber warum sollte man nicht die in Apotheken vorhandenen Kompetenzen nutzen und damit vielleicht auch die Ärzte und Ärztinnen entlasten?“, fragt Luhmann. In Gesundheitskiosken könnten die Mitarbeitenden Nachfragende, wenn nötig, an Apotheken verweisen.
Drittens glaubt Luhmann, dass die Apotheken den Kiosken zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen könnten. So würden Apotheken zu Recht als sehr niedrigschwellige Einrichtungen des Gesundheitswesens bezeichnet: „Sie erreichen in ihrem Sprengel einen Großteil der Bevölkerung. Damit sind sie in der Lage, einzelne Zielgruppen direkt anzusprechen, die im Rahmen von Prävention und Gesundheitsförderung im Quartier oder in der Ortschaft oftmals schwer erreichbar sind. Vorhandene Angebote können so bekannt gemacht und gezielt bestimmten Bevölkerungsgruppen vorgeschlagen werden. Ein kommunales Public Health-Netzwerk kann auf Apotheken deswegen eigentlich gar nicht verzichten.“
Aber auch der Informationsfluss in entgegengesetzter Richtung sei von großer Bedeutung. „Die Menschen bringen eine Vielzahl von Informationen in die Apotheken. Sie sprechen dort nicht nur über Arzneimittel, sondern auch über die Dinge, die sie vor Ort erleben, die sie gut finden oder die sie stören. Solche Informationen sind für lokale Public-Health-Netzwerke enorm wichtig“, sagt die VdPP-Referentin.
Gesundheitskioske sollen Ungleichheit abbauen
Die Schere zwischen sozial benachteiligt und privilegiert dürfe nicht weiter auseinandergehen. Es sei Aufgabe der Gesundheitskioske, die Ungleichheiten abzubauen. Und gerade Apotheken könnten viel dazu beitragen, wenn sie mit den pharmazeutischen Dienstleistungen „die Menschen erreichen, die ihre Hilfe besonders benötigen“.
Sie seien deshalb sehr wertvoll für die Gesundheitskioske. „Nur wird das heute noch nicht ausreichend erkannt, weder von den Apothekern und Apothekerinnen selbst noch von den kommunalen Stellen, die sich für Gesundheitskioske einsetzen. Deswegen ist es unser Ziel, dass sich die Apothekerschaft vor Ort mit den Verantwortlichen für die Einrichtung von Gesundheitskiosken zusammensetzen und überlegen, wie die Zusammenarbeit am besten organisiert werden kann. Die bisherigen Signale aus der Apothekerschaft: ‚Gesundheitskioske brauchen wir nicht‘, führt allerdings nur dazu, dass die Verantwortlichen in den Kommunen ähnlich reagieren: ‚Apotheken brauchen wir nicht‘“, so Luhmann.
Frust des Berufsstands ist nachvollziehbar
Der VdPP kann teilweise nachvollziehen, woher die Ablehnung vieler Apotheker und Apothekerinnen gegen die Kioske kommt, die manche als konkurrierendes Modell betrachten: „Der Frust großer Teile der Apothekerschaft und der Standesführung, dass es mit der Anzahl an Apotheken abwärts geht, dass Honorare nicht angepasst werden, dass bürokratische Anforderungen das Leben schwer machen und dass der pharmazeutische Nachwuchs nur schwer für die Apotheken zu begeistern ist, ist verständlich. Unserer Auffassung nach ist aber der Weg aus diesem Tal nicht die Steigerung der Konfrontation mit der Politik, mit der Ärzteschaft und mit den Krankenkassen“, sagt VdPP-Referentin Luhmann. Der VdPP setze stattdessen auf Kooperation. Er glaubt, ein „Bedeutungszuwachs von Apotheken“ durch eine Teilhabe an lokalen Public-Health-Netzwerken könne vielleicht dazu führen, dass auch „wieder an eine Bedarfsplanung für Apotheken gedacht werden kann“.
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