Durch die Coronavirus-Pandemie hat sich das Reisen in diesem Jahr verändert. SPIEGEL-Leserinnen und -Leser berichten, dass sie „statt Fernweh nun fast Nahweh“ haben, bei anderen bleibt das Fernweh groß. Doch neben den Infektionszahlen an potenziellen Reisezielen stellt sich auch die Frage, wie riskant eigentlich der Weg dorthin ist – also etwa ein Flug.
Im Flugzeug wird inzwischen Mund-Nasen-Schutz getragen, wobei dieser abgenommen werden darf, wenn man isst oder trinkt. Flugzeuge verfügen zudem über spezielle Belüftungssysteme. Horizontale Luftströmungen würden dabei auf „ein absolutes Minimum reduziert“, die Luft ströme hauptsächlich von oben nach unten, teilt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft mit.
Dass sich Menschen trotz ausgeklügelter Lüftung während eines Fluges mit dem Coronavirus anstecken können, darauf weisen zwei aktuelle Studien hin, die im Fachblatt „Emerging Infectious Diseases“ veröffentlicht wurden. Beide beziehen sich allerdings auf Fälle aus dem März, als Mund-Nasen-Schutz an Bord nicht verpflichtend war.
In der ersten Studie untersuchte ein Forscherteam um Trong-Tai Nguyen von der Hanoi Medical University einen Großteil der Reisenden, die einen Direktflug von London nach Hanoi genommen hatten. Eine 72-Jährige, die während des Fluges unter Husten und Halsweh litt, war vermutlich der erste Corona-Fall an Bord.
Alle 16 Mitglieder der Flug-Crew und 168 Reisende (84 Prozent) konnten die Wissenschaftler zeitnah erreichen und per PCR-Test untersuchen. 15 Gäste und ein Crewmitglied waren positiv. Zwölf dieser Fluggäste saßen wie die zuerst erkrankte Frau in der Businessclass, in der insgesamt nur 21 Menschen reisten. Wer näher an der zuerst Infizierten saß, hatte ein größeres Risiko, sich anzustecken.
Die Forscherinnen und Forscher schreiben, sie hätten keine starken Belege dafür gefunden, dass sich die Betroffenen vor oder nach dem Flug angesteckt hätten. Völlig ausschließen lässt sich ein anderer Infektionsweg aber nicht.
Identisches Virus-Erbgut
Interessant ist deshalb die zweite Studie, in der vier Corona-Fälle in Zusammenhang mit einem Flug von Boston nach Hongkong analysiert werden. Zwei Fälle betrafen ein Ehepaar, die anderen beiden zwei der Flugbegleiter. Die Wissenschaftler wiesen nicht nur bei allen vier Betroffenen eine Sars-CoV-2-Infektion nach, sondern erstellten aus dem Probenmaterial jeweils die nahezu vollständige Erbgut-Sequenz des jeweiligen Erregers. Das Ergebnis: Sie waren identisch. Zwischen Januar und Juni wurden rund 30.000 komplette Sars-Cov-2-Genome in einer Datenbank hinterlegt – keine jener Sequenzen glich der der vier Fälle zu 100 Prozent. Das macht es extrem wahrscheinlich, dass eine Ansteckung im Flugzeug passierte.
Beide Ehepartner hatten am Tag ihrer Ankunft in Hongkong Symptome – Fieber und Husten beziehungsweise Halsschmerzen. Eine Flugbegleiterin entwickelte eine Woche später Covid-19-Symptome. Ihr Kollege wurde positiv getestet, nachdem die Airline ihn informiert hatte, weil er engeren Kontakt mit den erkrankten Fluggäste hatte.
Andere Ansteckungen auf dem Flug sind nicht bekannt, aber das Forscherteam um Deborah Watson-Jones von der London School of Hygiene & Tropical Medicine konnte nicht alle Passagiere testen.
Die Gruppe um Trong-Tai Nguyen gibt aufgrund ihres Ergebnisses zu bedenken, dass die aktuellen Maßnahmen nicht ausreichen könnten, um Ansteckungen auf Flügen sicher zu verhindern. Insbesondere da selbst in der Business Class, in der die Sitze viel weiträumiger angeordnet sind, offenbar ein einziger Corona-Fall reichte, um mehr als die Hälfte der Passagiere anzustecken.
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