Sollten Schutzmaßnahmen aufgehoben werden?
Wie und wann sollten Schutzmaßnahmen in Zeiten von Corona gelockert werden, ohne dabei die Gefahr für eine zweite Infektionswelle zu erhöhen? Die Ergebnisse einer neuen Untersuchung der University of Oxford sollen helfen, genau diese Fragen zu klären.
In einer Forschungsarbeit der international hoch anerkannten University of Oxford und des UK Centre for Ecology and Hydrology in Wallingford wurde untersucht, wann und wie die Sperrvorschriften wegen Corona gelockert werden können. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Frontiers in Public Health“ veröffentlicht.
Während die erste Welle der COVID-19-Pandemie in Europa abklingt, lockern viele Länder ihre Sperrvorschriften. Trotzdem wird nicht-systemrelvanten Arbeitskräften empfohlen, nach Möglichkeit weiterhin von zu Hause aus zu arbeiten. Zudem gelten – je nach Bundesland – zahlreiche Schutzmaßnahmen auch weiterhin. Hier stellt sich die wichtige Frage, wann diese Maßnahmen aufgehoben werden können.
Wirksame Strategie wurde durch ein Model bestimmt
Die Forschenden analysierten die Anzahl der anfälligen, exponierten, infektiösen und wieder genesenen (oder verstorbenen) Personen im Vereinigten Königreich mit der Hilfe eines Models, getrennt für die unter Quarantäne stehenden und die normal arbeitenden Personen. So konnten sie die beste Strategie für die Auflockerung des derzeitigen Lockdowns bestimmen. Das erstellte Modell wurde relativ einfach gehalten, um die Ergebnisse leichter interpretierbar zu machen und eine Anwendung auch in anderen Länder zu ermöglichen.
Gesundheitsdienste dürfen nicht überfordert werden
Die größtmögliche Zahl von arbeitenden Menschen sollten unter Berücksichtigung von ausreichender Distanz arbeiten dürfen, ohne dabei jedoch die Gesundheitsdienste zu überfordern, erläutert die Forschungsgruppe. Allerdings sei ist schwer vorherzusagen, was genau passiert, wenn der Lockdown endet, da verschiedene Menschen unterschiedlich auf die Lockerungen reagieren werden. Wenn jedoch eine ausreichend große Gruppe von Menschen betrachtet wird, seien mathematische Modelle in der Lage die erwarteten durchschnittlichen Verhaltensweisen einer großen Bevölkerungsgruppe darzustellen.
Alle möglichen Szenarien sollten berücksichtigt werden
Am wichtigsten ist es, ein breites Spektrum von möglichen Szenarien zu berücksichtigen, betonen die Forschenden. So könne ein Reihe möglicher Infektionsanstiege untersucht werden. Laufende Tests seien dann wichtig, um zu überprüfen, ob eine Krankheitszunahme die vorhergesagten Grenzen überschreitet.
Welches ist die beste Strategie?
Die Forschungsgruppe kam zu dem Schluss, dass die optimale Strategie darin bestünde, etwa die Hälfte der Bevölkerung zwei bis vier Wochen nach dem Ende eines ersten Infektionshöhepunkts aus dem Lockdown zu entlassen. Dann sollte drei oder vier Monate gewartet werden, bis ein möglicher zweiter Höhepunkt vorüber ist, bevor schließlich der Lockdown für alle anderen Menschen aufgehoben wird. So können die Todesfälle minimiert und gleichzeitig kann die Wirtschaft geschützt werden.
Wovon hängt eine optimale Lösung ab?
Die optimale Lösung hängt vor allem von der (kaum bekannten) Genesungsrate der an COVID-19 erkrankten Menschen und der Rate der Virusübertragung ab, berichten die Forschenden. Weniger entscheidend seien zum Beispiel die Sterblichkeitsrate und die Inkubationszeit.
Lockdown zuerst für jüngere Menschen aufheben
Während das Modell selbst nicht vorschreibt, welche Personen zuerst aus dem Lockdown entlassen werden können, schlägt das Team vor, dass dies der jüngere Teil der Bevölkerung sein sollte. Es sei bekannt, dass jüngere Menschen weniger anfällig für COVID-19 sind. Die jeweiligen Bevölkerungsgruppen sollten mit der Hilfe von Tests jedoch weiterhin überwacht werden, da sie einem erhöhten Risiko ausgesetzt wären.
Vorsicht bei der Aufhebung des Lockdowns
Die Botschaft der Forschungsgruppe lautet, dass Entscheidungsträger sehr vorsichtig handeln sollten. Jede Auflockerung des Lockdown müsse sehr genau überwacht werden. Das für die Untersuchung erstellte Modell zeige, dass neue Infektionswellen sehr schnell auftreten können, wenn die Übertragungsraten höher als erwartet ausfallen oder wenn mehr Menschen als erwartet ihre Maßnahmen lockern.
Tests müssen ausgeweitet werden
Die verzögerte Inkubationszeit zwischen der Infektion und dem Auftreten von Symptomen bedeutet, dass die Auswirkungen der Krankheit mit einigen Tagen Verspätung auftreten. Nur wenn die Tests intensiviert werden, können wir uns ein genaues Bild davon machen, wie sich die Ausbreitung und Kontrolle der Krankheit vollzieht, erklären die Forschenden. So werde es möglich, schnell zu reagieren, wenn eine unkontrollierbare zweite Welle auftritt. (as)
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