COVID-19: Zwei Drittel aller Verstorbenen sind Männer
Mehrere Studien zeigten bereits, dass deutlich mehr Männer als Frauen an der Krankheit COVID-19 (verursacht durch das Coronavirus SARS-CoV-2) versterben. Vermutet wurde bislang ein Zusammenhang mit dem Rauchen, da Rauchen einen großen Einfluss auf die Atemwege hat und deutlich mehr Männer rauchen als Frauen. Ein deutsches Forschungsteam entdeckte nun einen weiteren möglichen Einflussfaktor auf Zellebene.
Rund zwei Drittel aller Menschen, die im Zuge einer COVID-19-Erkrankung sterben, sind Männer. Dies fiel bereits sehr früh unter den ersten Betroffenen in Wuhan auf. Die Gründe hierfür sind noch nicht ausreichend verstanden. Forschende des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) entdeckten nun einen möglichen Grund für diesen Zusammenhang, der unabhängig vom Lebensstil ist. Die Ergebnisse ihrer Forschung präsentierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem „EMBO Journal“.
Lungenkrebsforschung hilft bei COVID-19-Aufklärung
Ein Team um Professor Roland Eils, das normalerweise an den Ursachen für Lungenkrebs-Erkrankungen forscht, entdeckte auf Grundlage zellulärer Erkenntnisse über die Lunge einen möglichen Grund beziehungsweise einen möglichen Einflussfaktor, warum wesentlich mehr Männer als Frauen schwer an COVID-19 erkranken und sterben. Dabei spielt der sogenannte ACE2-Rezeptor eine Schlüsselrolle.
In der Forschungsarbeit sollte eigentlich herausgefunden werden, warum manche Personen, die nie geraucht haben, an Lungenkrebs erkranken. Hierzu verglichen die Forschenden Lungengewebe von Nichtrauchern mit und ohne Lungenkrebs. Während der Coronavirus-Pandemie erinnerten sich die Forschenden an diese bislang nicht veröffentlichten Daten. „Ich war davon überzeugt, dass diese Daten, die wir aus nicht Coronavirus infizierten Patienten erhoben haben, wichtige Informationen zum Verständnis der Virusinfektion enthalten“, erläutert Professor Eils.
Welche Zellen werden bevorzugt von SARS-CoV-2 befallen?
„Wir wollten wissen, welche Zellen genau es sind, die das Coronavirus befällt“, ergänzt Professor Christian Conrad aus dem Forschungsteam. Durch die Erkenntnisse, die das Team um den Virologen Professor Dr. Christian Drosten über den Coronavirus SARS-CoV-2 gesammelt hat, war bekannt, dass das Virus über den ACE2-Rezeptor an Zellen anbindet. Zusätzlich benötige das Virus einen oder mehrere Kofaktoren, die ihm dabei helfen, in die Zellen einzudringen. Das Team um Eils fand nun heraus, welche Zellen besonders anfällig sind und warum.
60.000 einzelne Zellen sequenziert
„Wir haben insgesamt fast 60.000 Zellen daraufhin untersucht, ob sie die Gene für den Rezeptor und eventuelle Kofaktoren angeschaltet haben, somit also prinzipiell vom Coronavirus infiziert werden können“, schildert Studienerstautor Soeren Lukassen. Bei der Analyse kam heraus, dass insbesondere in den Bronchien Vorläuferzellen für die Rezeptoren hergestellt werden, an die das Coronavirus bindet. Diese Vorläuferzellen entwickeln sich größtenteils zu Zellen im Atemtrakt weiter, insbesondere zu den Zellen, die mit ihren Flimmerhärchen dafür sorgen, dass Schleim und Bakterien aus der Lunge heraustransportiert werden.
Geschlecht und Alter beeinflussen die ACE-2-Dichte
An dieser Stelle eröffnet sich auch eine mögliche Erklärung, warum mehr Männer eher tödliche und schwere COVID-19-Verläufe entwickeln als Frauen. Denn die Forschenden entdeckten als Nebenbefund der Studie, dass Männer eine höhere ACE-2-Rezepordichte aufweisen als Frauen. Zudem zeigte sich auch, dass die ACE-2-Rezepordichte mit dem Alter generell ansteigt. „Das war nur ein Trend, könnte aber erklären, warum mehr Männer als Frauen infiziert werden“, betont Professor Eils. Zudem sei dies auch ein möglicher Einflussfaktor, warum Kinder nicht so stark und ältere Menschen stärker durch das Virus gefährdet sind.
Endgültiger Beweis steht noch aus
„Für eine belegbare Aussage hierzu sind allerdings unsere Fallzahlen noch viel zu gering – diese Untersuchung müssen wir an größeren Patientenkohorten wiederholen“, resümiert Eils. Die Untersuchungen belegen jedoch, dass das Virus sehr gezielt vorgeht, und auf bestimmte Zellen im Körper angewiesen ist, um sich auszubreiten und zu vermehren. Nun will das Team um Eils im nächsten Schritt an COVID-19-Erkrankten untersuchen, ob es tatsächlich diese Zellen sind, die vorwiegend befallen werden.
Forschung zeigt mögliche Ansätze für Therapien
„Mit dem Wissen, welche Zellen angegriffen werden, können wir nun zielgerichtete Therapien entwickeln“, fasst Professor Michael Kreuter von der Thoraxklinik des Heidelberger Universitätsklinikums zusammen. Vorher müsse aber noch verstanden werden, warum die Infektion bei Einzelnen rasch ausheilt und sich bei anderen zu einem Akuten Lungenversagen entwickelt.
Eine weitere aktuelle Studie im Deutschen Ärtzeblatt zeigt zudem, dass unter schweren COVID-19-Verläufen besonders häufig Personen mit respiratorischen Vorerkrankungen und Übergewicht vertreten sind. Für mehr Informationen lesen Sie den Artikel: Coronavirus: Übergewichtige müssen häufiger künstlich beatmet werden.(vb)
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